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Sport: Uns hat er nicht betrogen

Jan Ullrich ist nicht alleine – noch immer halten ihm Fans und Weggefährten die Treue

Berlin - Die Tische sind gut besetzt, es ist ja kurz vor zwölf Uhr, die Leute bestellen ihr Mittagessen. Und sie haben natürlich ihr Thema; Jan Ullrich ist das Thema. Ullrich, der Tour-de-France-Sieger von 1997, der sich mit der Staatsanwaltschaft geeinigt hat. Die verzichtet auf einen Prozess wegen Betruges, dafür zahlt Ullrich einen sechsstelligen Betrag. Dass Ullrich ein Doper war, das sagte Staatsanwalt Fred Apostel am Montag aber schon.

Im „Gasthaus Keller“ wollen sie das aber nicht hören. Hier ist Ullrich ein hochgeachteter Mann. Im „Gasthaus Keller“ in Merdingen hat Ullrich gewohnt, bevor er sich am Stadtrand ein Haus gebaut hat. „Im Gasthaus Keller“ trifft sich auch der „Jan-Ullrich-Fan-Klub“. „Sie werden keinen im Verein finden, der sich von Ullrich betrogen fühlt“, sagt Erich Keller, der Wirt, am Telefon. Er ist auch der Vorsitzende des Fanklubs, er hat ihn 1995 gegründet. Da zog Ullrich nach Merdingen, inzwischen wohnt er in Scherzingen in der Schweiz.

Dort geht es ihm gut, heißt es aus seinem Umfeld. Sicher seien ihm die vergangenen Monate an die Nerven gegangen, sogar an die Substanz. Denn im Gegensatz zu all denen, die Doping oder ein bisschen Doping von ganz früher gestanden haben, hatte Ullrich schließlich ernste strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten gehabt. Für diese Situation sei er zuletzt aber relativ entspannt gewesen, auch dank seines Sohnes Max, der im vergangenen August geboren worden ist. Nun sei er erleichtert, dass das Betrugsverfahren eingestellt worden ist.

Betrug? Da lacht Erich Keller verbittert auf. „Alle anderen müsste man dann auch bestrafen, nicht bloß Ullrich.“ Aber die anderen, „die fahren doch weiter“. Die anderen Doper meint er. Und überhaupt, „Doping ist für mich kein Problem. Wahrscheinlich haben alle gedopt. Sonst hätte man doch vorne gar nicht mitfahren können.“ Ja, was wäre denn gewesen, wenn er als einziger gestanden hätte? „Dann hätte man ihm die Siege und die Prämien aberkannt und ihn als einzigen an einer Marterpfahl gestellt.“ Sagt Erich Keller, 56 Jahre alt, früher aktiver Radfahrer. Sicher, der Fanklub ist von 300 auf 30 Mitglieder geschmolzen, aber diese 30, die halten noch fester zu ihm als die anderen im Ort. Ab und zu kommt Ullrich noch vorbei in Merdingen, Keller sieht ihn dann. „Es nervt ihn natürlich alles“, sagt er.

Michael Stehle ist am Dienstag in Tokio, er hat das alles nur aus der Ferne mitbekommen. Aber auch Stehle fühlt sich von Ullrich „nicht betrogen“. Weil, das sagt Stehle sinngemäß, doch alle anderen auch betrogen hätten. Also läuft der Vertrag seiner Firma Terra-S mit Ullrich weiter. Terra-S stellt Reifendichtmittel her, Ullrich fungiert als Berater. Stehle hatte auch mal eine E-Mail an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben. Helfen Sie mir, stand drin, allerdings hat er nicht mit Michael Stehle, sondern mit Jan Ullrich unterschrieben. Der echte Ullrich dementierte heftig die Autorenschaft, und Stehle würde so eine Mail heute auch nicht mehr schreiben. „Weil es nichts bringt.“ Er hofft vielmehr, dass ihm der Berater Ullrich etwas bringt.

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