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UNSERE Experten: Eigentlich bin ich sprachlos

Es hilft ja nichts, diese Zeilen müssen gefüllt werden. Aber eigentlich, eigentlich bin ich sprachlos.

Es hilft ja nichts, diese Zeilen müssen gefüllt werden. Aber eigentlich, eigentlich bin ich sprachlos. Nahezu alles, worauf ich mich vor dieser WM festgelegt hatte, was ich erwartet hatte, wurde vom Mantel der Geschichte hinweggefegt, ähh, wie gesagt, eigentlich bin ich sprachlos, also, es wurde umhüllt vom Mantel der Geschichte, oder eher pulverisiert? Geblieben sind mir die Holländer. Von denen hatte ich vorher angenommen, dass sie diesmal nicht so spielen, dass sie eher zu Hause sind als ihre Postkarten. Das tun sie.

Aber die Deutschen? Ich hatte gemutmaßt, dass sie zu jung sind, zu unerfahren, und dass diese WM noch zu früh sei. Stimmt alles nicht. Ich war skeptisch über Joachim Löws Urvertrauen in diese Mannschaft, in Lukas Podolski, in Miroslav Klose. Podolski zeigt, warum er mal als einer der talentiertesten deutschen Spieler galt. Klose vergibt eine Chance, die größer nicht sein kann, und sagt dann „Jungs, beruhigt euch, ich mach noch zwei Buden“, zumindest spielt er so, als hätte er es gesagt. Und macht zwei Buden. Diese Mannschaft ist großartig, sie ist grandios, und so, wie sie die Argentinier zerlegt hat, war es eine große, große Nummer. Wenn man etwas herzlos sein wollte, dann war man ein wenig traurig, dass das Spiel einen Abpfiff hatte, dass die Zeit um war nach neunzig Minuten, ach bitte, spielt doch noch weiter, verweile doch, du bist so schön. Weniger herzlos musste man Mitleid haben mit den Argentiniern und mit Diego Armando Maradona. Es ist fast rührend, dass die südafrikanischen Blätter von der „deutschen Maschine“ schreiben, das haben sie wohl noch im Stehsatz. Maschine? Diese Mannschaft schwebt, sie ist leicht, sie ist schnell, nichts, gar nichts ist an ihr maschinell, den schönsten Fußball der Welt, den spielt diese Mannschaft. Und wo ist die Kehrseite der Medaille? Es muss ja eine geben. Sie ist die Tatsache, dass sie nun Favorit ist, gegen Spanien und für den Titel. Es war gemütlich und kommod, der Underdog zu sein gegen England und Argentinien. Das sind sie nicht mehr, das haben sie sich selber zuzuschreiben. Diese deutsche Mannschaft ist Topfavorit, sie ist weltmeisterlich. Und wenn sich das jetzt alles wie eine Liebeserklärung liest, dann liest es sich richtig. Ich bin sprachlos.

Fernsehkommentator Marcel Reif, Michael Oenning, Arnd Zeigler, Philipp Köster und Fredi Bobic kommentieren hier abwechselnd die WM. Alle Kolumnen unter

www.tagesspiegel.de/wm2010

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