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Sport: Unter falscher Führung

In der Krise sind bei Hertha Spieler in den Vordergrund gerückt, die nicht zu den Leitfiguren gehören

Berlin. Manchmal bringt Alexander Madlung seine Kollegen zum Lachen. Neulich hat er mit ein paar Kollegen von Hertha BSC im Fernsehen ein Spiel von Real Madrid gesehen. Ronaldo, der Weltmeister, der WM-Torschützenkönig, der 55 Millionen Euro teure Ausnahmestürmer, schoss in diesem Spiel drei Tore. Och, sagte Alexander Madlung, 21 Jahre alt, 16 Bundesligaspiele, „ich find den gar nicht so gut“. Ein guter Witz. Nur dass Madlung das ernst gemeint hat.

Am Samstag hat Madlung seine Kollegen wieder zum Lachen gebracht. Nur ganz anders. Das Bundesligaspiel zwischen Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach näherte sich bereits seinem Ende. Es stand 1:1, ein enttäuschendes Ergebnis für die Berliner, und es gab keine Anzeichen dafür, dass sich daran noch etwas ändern sollte. Huub Stevens, Herthas Trainer, hatte sogar Sorge, dass der Gegner noch ein Tor schießen würde, „Gladbach hat kopfballstarke Leute gebracht“, erkannte Stevens auf seinem Tribünenplatz. Deshalb ließ er Alexander Madlung zur Einwechslung antreten: einen Verteidiger, 1,93 Meter groß, kopfballstark. Madlung war kaum auf dem Feld, da schickte er den Ball mit dem Kopf zum 2:1 ins Tor. Der Treffer bescherte Hertha nicht nur den ersten Heimsieg seit mehr als fünf Monaten, er verschafft der Mannschaft nach all dem Wirbel der letzten Wochen auch ein paar ruhige Tage.

Es ist fast auffällig, dass im Moment die falschen Spieler bei Hertha für die großen Momente zuständig sind. Madlung hat schon im August das erste Saisontor für die Berliner erzielt, im Pokalspiel gegen Reutlingen, nach drei torlosen Begegnungen in der Bundesliga. Gegen Hansa Rostock, im ersten Arbeitsplatzerhaltungsspiel für Trainer Stevens, traf Luizao zum 1:0 für die Berliner. Der Brasilianer hatte zuvor erst einmal von Beginn an gespielt, er galt bereits als traurige Figur. In den vergangenen vier Spielen aber hat Luizao drei Tore erzielt, wichtige Tore: zweimal das 1:0 gegen Rostock und am Samstag den Ausgleich gegen Mönchengladbach. „Wir haben im Training einen Luizao gesehen, der sich gesteigert hat“, sagt Huub Stevens. „Das spürt der Junge selbst auch.“

Im Pokal, gegen Hansa Rostock, war es schließlich der 19 Jahre alte Nando Rafael, der in der letzten Minute der Verlängerung Hertha mit seinem Tor ins Elfmeterschießen rettete. Rafael hat – genau wie Madlung – in dieser Saison erst zweimal in der Anfangself gestanden. Aber schon im vergangenen Jahr hat er zwei wichtige Tore geschossen: im letzten Saisonspiel, beim 2:0 gegen Kaiserslautern. Durch den Sieg qualifizierte sich Hertha nach zuvor drei Niederlagen doch noch für den Uefa-Cup.

Vielleicht ist das alles kein Zufall. Vielleicht kommen die jüngeren Spieler einfach besser mit der Krise zurecht, weil sie unbefangener an sie herangehen. „Das hat damit nichts zu tun“, sagt Huub Stevens. Als er Madlung im Uefa-Cup gegen Grodzisk in einer ähnlichen Situation einwechselte wie jetzt gegen Gladbach, brachte diese Maßnahme nicht den erhofften Erfolg. Hinterher musste sich Herthas Trainer fragen lassen, warum er denn einen Verteidiger eingewechselt habe.

Dass die jüngeren Spieler sich erfreulich hervortun, ist die positive Seite; die negative ist, dass sie das nur können, weil die eigentlichen Führungsspieler dem Anspruch nicht gerecht werden. Aber wer sind überhaupt die Führungsspieler? Die, die es werden sollten, die drei Neuen, haben vor allem mit sich selbst zu tun. Und auch für die, die schon länger bei Hertha sind, ist die Erfahrung Abstiegskampf neu. Pal Dardai sagt: „In einer solchen Situation habe ich auch noch nie gesteckt.“ Er hält es für möglich, dass die Jüngeren im Training „noch mehr Gas gegeben haben, weil sie die Chance gesehen haben, in die Mannschaft zu kommen“. Diese Chance aber ist den Jüngeren von den Älteren großzügig eingeräumt worden.

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