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Sport: Unter Haien

Zwei Schwimm-Stars streiten um Phelps’ Nachfolge.

Barcelona - Vor eineinhalb Jahren ist Chad le Clos vom Glauben abgefallen. Vom Glauben an Michael Phelps. Der Südafrikaner war zwar enttäuscht, doch es ging nicht anders. Schließlich schwimmt le Clos im Becken inzwischen selbst so schnell, dass er keinen persönlichen Helden mehr brauchte. „Zwischen 2011 und 2012 musste ich mein Denkmuster ändern. Das war sehr schwierig für mich, denn alles, was ich bis dahin in ihm gesehen habe, war ein Gott“, erklärt der 21-Jährige pathetisch. Eine Form der Verehrung, die ihn bei den Olympischen Spielen in London nicht daran hinderte, Phelps im Finale über 200 Meter Schmetterling zu schlagen.

Bei der WM in Barcelona ist der mit 18 Goldmedaillen erfolgreichste Olympionike aller Zeiten nun für seine Sponsoren vor Ort, doch als Schwimmer ist Michael Fred Phelps Vergangenheit. Der 28-jährige US-Amerikaner hat auf Golf umgeschwenkt – und Chad le Clos ist nun ein heißer Anwärter auf sein Erbe. In Barcelona gilt er über 200 Meter Schmetterling als Topfavorit, gute Chancen auf eine Medaille hat er zudem über die halbe Distanz, wo er sich unter anderem mit dem Weltjahresbesten auf dieser Strecke, DSV-Schwimmer Steffen Deibler, misst. Die 50 Meter Schmetterling probiert er dagegen einfach mal aus. „Für mich wäre es schon großartig“, sagt le Clos, „wenn ich es da ins Finale schaffen würde.“

Le Clos steht noch am Anfang seiner Schwimmkarriere. Er überlege, erwähnte er in Barcelona gerade, künftig auch Freistildisziplinen in sein Repertoire aufzunehmen. Zusätzlich zu den Schmetterling- und Lagenrennen, die – kein Zufall – auch Michael Phelps regelmäßig geschwommen ist. „Beim Freistil waren Medaillen seit jeher am schwersten zu gewinnen, denn darauf liegt die ganze Aufmerksamkeit“, sagt le Clos.

Unterdessen haben die Amerikaner nach Phelps bereits den nächsten angehenden Superstar geformt: Missy Franklin, 18 Jahre, vierfache Olympiasiegerin von London. In Barcelona tritt sie gleich in acht Disziplinen an. Und zwar jeweils mit dem Ziel, auch als Siegerin aus dem Pool zu klettern. Acht Mal Gold bei einer einzigen WM – das wäre ein Rekord. Doch Dave Salo, der Coach der US-Damen, sagt: „Ich denke, sie ist in der Lage, damit umzugehen.“

Dabei wird bei jedem ihrer – und allen weiteren – Rennen der Grundsatzverdacht mitschwimmen, den der Schwimm-Weltverband Fina mit seinem seltsamen Verständnis der Dopingbekämpfung weiter befeuert hat. Bei der jüngsten WM vor zwei Jahren in Schanghai kündigte die Fina noch vollmundig die Einführung eines biologischen Passes an. Darin sollte über einen längeren Zeitraum das Blutprofil ausgewählter Schwimmer eingetragen werden, um mögliche Unregelmäßigkeiten festzustellen und anschließend gezielte Tests vornehmen zu können. Den Blutpass aber gibt es bis heute nicht. „Das ist natürlich ein Versäumnis“, klagt der deutsche Chefbundestrainer Henning Lambertz und bekennt: „Leider ist das Schwimmen nicht sauber.“ Während Steffen Deibler, Deutschlands Bester in diesem Jahr und die einzige echte Chance auf eine deutsche Einzelmedaille, betont: „Ich bin sauber, und ich habe auch noch Reserven.“

Ein weiterer vom Doping bedrohter Sport, dessen Held nicht mehr dabei ist und daher nicht mehr kontrolliert werden kann. Stattdessen wird Michael Phelps nach der WM in Südafrika unter Wasser auf die Suche nach Haien gehen. Geschützt von einem Käfig und begleitet von seinem großen Bewunderer von früher: Chad le Clos. Andreas Morbach

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