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Sport: Unter Schmerzen

Die Fotografin Regina Schmeken zeigt in der Fotoausstellung „Unter Spielern“ einen ganz anderen Blick auf die Nationalmannschaft.

An diesem Montag ist Philipp Lahm vom „Kicker“ befragt worden, ob er eigentlich bei der Nationalmannschaft im Training auch das Tor trage. Lahm hat aus seiner Antwort fast eine Staatsaktion gemacht, sich gewunden – um dann doch nichts Konkretes zu sagen. „Es ist vollkommen egal, ob ich ein Trainingstor trage oder nicht“, lautete seine Antwort. „Das beschäftigt mich nicht und dürfte keinen anderen beschäftigen.“ Also trägt er nun? Oder trägt er nicht? Er trägt! Man kann das im Berliner Martin- Gropius-Bau überprüfen, in der Fotoausstellung „Unter Spielern – Die Nationalmannschaft“. Ein leeres Stadion, ein Tor, neun Nationalspieler. Einer davon, links in der Mitte, Philipp Lahm, der Kapitän.

Es sind solche vermeintlichen Alltagsszenen aus der Welt des Fußballs, die die Fotografin Regina Schmeken in einem fast zweijährigen Langzeitprojekt festgehalten hat – mit dem Ziel, „die Nationalmannschaft in einem anderen Licht darzustellen“, wie Oliver Bierhoff bei der Ausstellungseröffnung in Berlin am Tag vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) sagt. Der Manager der Nationalmannschaft hat die Fotografin der „Süddeutschen Zeitung“ und ihre Bilder bei einer Ausstellung in München kennengelernt. Weil ihm die Art gefiel, wie sie Sportler betrachtet, fragte Bierhoff, ob Schmeken nicht auch die Nationalmannschaft begleiten wolle.

„Eigentlich verstehe ich kaum etwas vom Fußballspiel“, gesteht Schmeken. Sie hatte während des Projekts auch keinen besonderen Zugang zur Nationalmannschaft, saß bei den Spielen, unter anderem bei der EM in diesem Sommer, zwischen den normalen Sportfotografen am Spielfeldrand und erzählt trotzdem mit ihren Schwarz- Weiß-Fotos eine eigene Geschichte. Oder besser: Sie bildet die verschiedenen Geschichten ab, die der Fußball erzählt.

„Ich habe keine spielentscheidenden Momente abgebildet“, sagt Schmeken. Unter den Fotos im Gropius-Bau findet sich kein Hinweis auf das Spiel oder den gezeigten Spieler. Im Grunde ist das unwichtig. Schmeken reißt die Szenen aus dem Zusammenhang und setzt sie in einen neuen Kontext. In ihren Fotografien finden sich der Raum und die geometrische Ordnung genauso wie dessen Verdichtung in Detailstudien, in Close-ups von Füßen und Unterschenkeln, genauso wie von Gesichtern. Es geht um Form, um Bewegung, aber auch um Leid und Schmerz. Da liegt der Torhüter Ron-Robert Zieler bei seinem Länderspieldebüt auf dem Rasen, halb im Tor, halb davor, und blickt dem Ball nach, der gerade im Netz gelandet ist. „Ich wollte nicht nur das Heldenhafte und Schöne zeigen“, erzählt Schmeken. „Das bekommt man jeden Tag in den Zeitungen zu sehen.“

Wenn man in die Gesichter der Nationalspieler schaut, erkennt man Ausdrücke, die einem selbst im Zeitalter der Superzeitlupe unbekannt vorkommen. Es spricht etwas Leidendes, Schmerzhaftes, fast Flehendes aus ihren Gesichtern. „Fast intime Momente“ sind das für Oliver Bierhoff, „Augenblicke, in denen die Spieler ganz bei sich zu sein scheinen“.

Bis 6. Januar, Mittwoch bis Montag, 10 bis 19 Uhr, Eintritt frei. Katalog bei Hatje Cantz, 29,80 Euro.

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