zum Hauptinhalt

Sport: US Open: Daneben

Als eine Gewitterfront den Spielbetrieb am Eröffnungstag für zwei Stunden lahm legte, war der große Pechvogel schon auf dem Weg ins Hotel. Die neue Zielsetzung des Nicolas Kiefer: Koffer packen und möglichst schnell nach Hause.

Als eine Gewitterfront den Spielbetrieb am Eröffnungstag für zwei Stunden lahm legte, war der große Pechvogel schon auf dem Weg ins Hotel. Die neue Zielsetzung des Nicolas Kiefer: Koffer packen und möglichst schnell nach Hause. Die dunklen Wolken über der Skyline von Manhattan passten zum Seelenzustand des Holzmindeners, dessen US-Open-Einsatz 2001 gerade einmal zwei Stunden dauerte. Dann ging nichts mehr. Er habe sich "total schwach gefühlt" und konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten: "Schüttelfrost, Fieberschübe, unerträgliche Kopfschmerzen. Alles kam zusammen." Kiefer sah sich gezwungen, beim Stand von 7:5, 4:6, 0:1 gegen Rainer Schüttler (Bad Homburg) das Handtuch zu werfen. Das seltsame Ende beim vierten und letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres passte zur verkorksten Saison des 24-Jährigen, dem nun auch noch die Weltrangliste auf den Magen schlagen dürfte. Der freie Fall des Nicolas K. - ein Kapitel für sich in der zuletzt nicht gerade ruhmreichen deutschen Tennis-Geschichte.

Online-Gaming Spiel, Satz und Sieg: Der Pong-Klon von meinberlin.de Dabei war der Daviscupspieler voller Zuversicht nach Big Apple gereist, hatte eine Woche vor Ort trainiert und sich "sehr stark gefühlt". Selbst am Morgen des verhängnisvollen Montags sei noch alles "okay" gewesen. "Aber dann", wird Kiefer später erklären, "ist irgendetwas in meinem Körper passiert." Der an Nummer 29 gesetzte Deutsche führte gegen Rainer Schüttler mit 7:5, 1:0, als die Krankeitssymptome zum ersten Mal auftraten. Er sah den Ball nicht mehr richtig und dachte: "Was ist denn nun los?" Beim Stand von 4:3 im zweiten Satz ließ sich der völlig entkräftet wirkende Kiefer schließlich von einem Physiotherapeuten mit Eisspray behandeln. Zudem nahm er Mineralien ein. Nach dem ersten Spiel im dritten Satz reichte Kiefers Kraft nur noch, um Schüttler die Hand zu reichen.

Den Spekulationen war Tür und Tor geöffnet. "Möglicherweise war es ein Kreislaufkollaps, ausgelöst durch einen Virus", versuchte sich Trainer Joachim Krentz als Erster in einer Diagnose. Auch das Essen am Vorabend bei einem Italiener wurde als mögliche Ursache genannt. Dann folgte das offizielle Statement des Turnierarztes, der als Gründe des Schwächeanfalls "Hitzestress, Austrocknung und Salzarmut" angab. Hatte sich Kiefer etwa nicht professionell genug auf sein Erstrundenmatch vorbereitet und zu wenig Wasser getrunken? Schließlich konsumierte Schüttler allein während des Matches "mindestens sechs Flaschen Wasser". Der Holzmindener ließ durch den ATP-Sprecher Miki Singh ausrichten, "normalerweise nie Probleme mit der Hitze zu haben, ich weiß nicht, was mit mir los war". Es war das erste Mal in der siebenjährigen Profikarriere, dass Kiefer ein Match wegen körperlicher Schwäche abbrechen musste.

Therapiezentrum Flushing Meadows. Kiefers Rechnung war einfach. Hier, wo er im vergangenen Jahr bis ins Viertelfinale vorgestürmt war, wollte der 24-Jährige einen Neuanfang machen. Stattdessen ging seine Talfahrt weiter. Das Erreichen des Achtelfinales in Wimbledon steht noch als bestes Grand-Slam-Resultat in diesem Jahr. Bei den Australian Open kam der Holzmindener über die zweite Runde nicht hinaus, bei den French Open war ebenfalls die erste Runde Endstation. Eine enttäuschende Bilanz für den einstigen Tennis-Hoffnungsträger, der sich im Januar vergangenen Jahres sogar einmal auf Platz vier der Weltrangliste gesonnt hatte. Zum Start der US Open 2001 lag er auf dem 29. Rang, und da Kiefer durch seinen Schwächeanfall weitere 245 Ranglistenpunkte Punkte verlor, wird er demnächst auf einer Position am Ende der Top 40 geführt werden. Damit ist die Teilnahme an den lukrativen Hallenturnieren im Herbst in Gefahr. Dort muss Kiefer nun auf eine Wildcard hoffen oder sich qualifizieren. "Ich werde mich jetzt zu Hause ausruhen und einige medizinische Checks durchführen", erklärte Nicolas Kiefer.

Stefan Liwocha

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false