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Ihr könnt mich mal... Pennetta vor der Kulisse New York.

© AFP/Stockmann

US Open: Flavia Pennetta: Schläger zu verschenken

Nach dem Triumph bei den US Open freut sich die Italienerin Flavia Pennetta auf das Leben nach dem Tennis.

Es war auf den ersten Blick nicht leicht zu erkennen, wer eigentlich die US Open gewonnen hatte. Flavia Pennetta und Roberta Vinci konnten beide nicht aufhören zu strahlen und hatten sich am Netz lange und innig gedrückt. Dann saßen sie glücklich nebeneinander auf den

Stühlen und warteten auf die Siegerehrung, und die beiden Italienerinnen scherzten, kicherten und tuschelten miteinander und wirkten so wie nach einem ihrer gemeinsamen Erfolge im Doppel. Seit über 20 Jahren sind sie dickste Freundinnen, und so wollte Pennetta ein Geheimnis mit ihr teilen. Sie beugte sich zu Vinci herüber und flüsterte ihr zu, dass dieses ihr letztes Match bei den US Open gewesen sei. Sie wolle aufhören mit dem Tennisspielen. „Was?“, fragte Vinci ungläubig auf Italienisch zurück. Denn sie konnte nicht verstehen, wieso Pennetta den Schläger beiseitelegen wolle, wo sie gerade besser spiele denn je.

Doch nach ein paar Sekunden sagte Vinci „va bene“ zu ihrer Freundin, alles sei gut. „Es ist perfekt so, geh ruhig.“ Dann trat Pennetta ans Mikrofon im Arthur-Ashe-Stadium, und noch bevor die 33-Jährige aus Brindisi den silbernen Pokal in die Arme nahm, erklärte sie: „Ein Traum ist für mich wahr geworden, ich hätte nie gedacht, dass ich einmal einen solchen Titel gewinnen könnte. Und für mich ist es der perfekte Weg, mich vom Tennis zu verabschieden.“

Die Worte Pennettas nach ihrem 7:6- und 6:2-Sieg überraschten die Zuschauer wohl so sehr, wie sie dieses erste rein italienische Finale in Flushing Meadows überrascht hatte. Die meisten der 24 000 Zuschauer hatten in der Hoffnung ein Ticket gekauft, sie würden miterleben, wie Serena Williams mit ihrem Sieg in New York Geschichte schreibt und erstmals seit Steffi Graf 1988 den Grand Slam perfekt macht. Stattdessen aber wurden sie Zeugen von anderer Geschichte. Mit ihrer 32 Jahre alten Freundin bildete Pennetta das älteste Major-Finale, das je gespielt wurde, und es hatte auch noch keine Spielerin mit über 30 Jahren ihren ersten Grand-Slam-Titel gewonnen. Damit überflügelte sie ihre Landsmännin Francesca Schiavone um fast vier Jahre, die 2010 zudem als erste Italienerin die French Open gewann. „Willkommen im Club!“, twitterte diese, die in ihrem 49. Anlauf bei einem der vier wichtigsten Turniere ihre erste Trophäe holte – damit verdrängte sie Marion Bartoli, die bei ihrem 47. Versuch vor zwei Jahren in Wimbledon gewann. Die Französin hatte nach ihrem Sieg damals über Sabine Lisicki ebenfalls im Anschluss ihre Karriere beendet.

Pennetta sagt, die Entscheidung falle ihr nicht leicht

„Es war eine schwere Entscheidung für mich“, fuhr Pennetta fort, „aber ich bin glücklich und stolz, dass ich sie getroffen habe. Und mit diesem Sieg heute ist mein Leben perfekt.“ Bis zum Herbst wolle sie noch die Turniere in Wuhan und Peking spielen, vielleicht reicht es sogar zur Qualifikation bei den WTA-Finals in Singapur. Denn mit ihrem Triumph hatte sich Pennetta von Platz 26 auf acht der Weltrangliste katapultiert, Vinci von Platz 43 auf 19. Bei den US Open hatte es bisher nur 2009 eine ungesetzte Siegerin gegeben, doch die Belgierin Kim Clijsters war als ehemalige Nummer eins nach einer Babypause zurückgekehrt. Eine Familie zu gründen, könnte auch Pennetta in ihrem Ruhestand vorschweben.

Ihr Verlobter Fabio Fognini, der Rafael Nadal in der dritten Runde bezwungen hatte, war für das Finale extra wieder angereist, gemeinsam mit Ministerpräsident Matteo Renzi, und hockte Nägel kauend auf der Tribüne. Pennettas Sieg war jedoch nie gefährdet, Vinci fehlte nach dem spektakulären Coup gegen Serena Williams am Vortag schlicht die Kraft. So reichte Pennetta eine solide Leistung für den Höhepunkt ihrer 18 Jahre langen Karriere. „Manchmal haben wir Angst davor, Entscheidungen zu treffen“, sagte sie, „denn wir wissen nicht, was danach kommt oder wie unser Leben sein wird. Aber ich denke, es wird ein sehr schönes Leben.“

Begonnen hatte es gemeinsam mit Vinci. Als sie neun und zehn Jahre alt waren, spielten sie ihr erstes Match gegeneinander, teilten sich später im Leistungszentrum in Rom vier Jahre lang ein Zimmer und gewannen 1999 den Juniorinnen-Titel im Doppel bei den French Open. Gemeinsam spielten sie für Italien im Fed Cup, nun schloss sich zumindest für Pennetta in New York der Kreis. Schon im Mai hatte sie vor Paris ans Aufhören gedacht, wollte drei Tage vor Turnierstart noch zurückziehen. Sie spürte schon länger, dass sie des Wettkampfs müde war. „Man verpasst als Profi so viele Dinge, wenn man jung ist“, sagte Pennetta, „ich freue mich auf alles, was jetzt kommt.“ Wie Vinci sagte, va bene.

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