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Novak Djokovic.

© AFP

US Open 2014: Novak Djokovic: Erst Hochzeit, dann Krise

Seit seiner Hochzeit steckt Tennis-Star Novak Djokovic in der Formkrise. Kann der Schützling von Boris Becker trotzdem die US Open in New York gewinnen?

Unter Formel-1-Piloten herrscht immer noch ein uralter Glaube, der besagt, dass sie langsamer werden, sobald sie heiraten würden. Schlimmer wäre nur noch, wenn sie zudem ein Kind in die Welt setzen. Jenen Draufgängern, bei denen auch immer ein bisschen der Tod mitfährt, macht der Gedanke an Ehe und Familie offenbar Angst. Denn plötzlich haben sie etwas zu verlieren, sind nicht mehr bloß für sich selbst verantwortlich. Ihr Fokus verschiebt sich ein Stück weit. Und das kann auf Kosten der Leistung gehen. WM-Spitzenreiter Nico Rosberg hatte kürzlich in Hockenheim zwar bewiesen, dass zumindest direkt nach der Hochzeit ein Grand-Prix-Sieg möglich ist, aber der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel fährt seit der Geburt seiner Tochter nur noch hinterher. Der alte Mythos lebt also weiter. Im Tennissport geht es zwar nicht um Leben und Tod, doch auch bei Novak Djokovic scheint seine Heirat und der bevorstehende Familienzuwachs einen Effekt auf die Leistung des Weltranglistenersten zu haben. Die Vorbereitungsturniere auf die US Open verliefen desolat, und so tritt der 27 Jahre alte Serbe mit vielen Zweifeln beim letzten Grand Slam der Saison an.

„Ich weiß auch nicht“, meinte Djokovic, „ich war so erfüllt und glücklich nach meiner Hochzeit. Aber als ich dann in Toronto und Cincinnati spielte, fühlte ich mich emotional total leer.“ Gegen Jo-Wilfried Tsonga und Tommy Robredo war jeweils schon im Achtelfinale Schluss. Djokovic wirkte wie ein Schatten seiner selbst. „Ich fühle mich einfach überhaupt nicht wohl auf dem Platz“, sagte der Serbe, „es sind so viele, viele, viele Dinge, die in den letzten zwei Wochen nicht ,klick‘ gemacht haben. Ich spiele nicht einmal annähernd auf dem Level, das ich haben sollte.“

Erste Besserung brachte nun der Auftakt in New York. Djokovic gewann zügig mit 6:1, 6:2 und 6:4. Doch ein junger Sandplatzspezialist wie der Argentinier Diego Schwartzman ist auch keine Herausforderung für den siebenmaligen Grand-Slam-Sieger. Dennoch gab ihm dieser Auftritt Auftrieb: „Ich fühle mich mental jetzt zumindest bereiter als noch letzte Woche.“ Denn Djokovic fiel es nach den seligen Festwochen schwer, wieder auf den Wettkampfmodus umzuschalten. Kaum verwunderlich, denn mit seinem Wimbledonsieg und der Rückkehr auf den Thron der Weltrangliste hatte er zwei lang ersehnte Ziele endlich erreicht. Dann rundete die Hochzeit noch das private Glück ab. „Vielleicht haben all diese wunderbaren Ereignisse und Erfahrungen einfach zu viel von mir gefordert“, vermutete Djokovic, „ich brauche wohl ein bisschen Zeit und so viel Training wie möglich.“

Das Team des Serben ist in diesen Tagen also gefordert, besonders Chefcoach Boris Becker. In Wimbledon war Becker noch der Erfolgsmacher auf seinem Heim-Terrain. Die Mission auf den Hartplätzen von Flushing Meadows wird jedoch knifflig. Mit der Absage von Titelverteidiger Rafael Nadal, der Djokovic im letztjährigen Finale in vier Sätzen düpiert hatte, ist zwar ein schwerer Brocken bereits beseitigt. Doch die Auslosung ist für die Nummer eins alles andere als ein Selbstläufer. Andy Murray könnte im Viertelfinale warten, Stan Wawrinka oder Milos Raonic im Halbfinale und im Endspiel ist wie in Wimbledon ein Schlagabtausch mit Roger Federer möglich. Djokovic ahnt von dieser sportlichen Bedrohung indes noch nichts, hütet er sich doch vehement davor, sich den Turnierplan über die nächste Runde hinaus anzuschauen. Das ist sein persönlicher Aberglaube.

Doch die Gegner sind momentan ohnehin nebensächlich, Djokovic hat genügend eigene Probleme: seine schwache Aufschlagquote, sogar der Ballwurf, und die zuletzt eklatant hohe Fehlerzahl von der Grundlinie. So war der wohl beste Defensivspieler der Welt auf einmal angreifbar. Doch die schonungslose Analyse seiner Schwächen brachte Djokovic zumindest gegen Schwartzman eine Steigerung ein. Meist abgeschottet von den Augen der Fans hatte der Serbe in New York bisher gearbeitet, suchte die nötige Ruhe, um seinen Fokus wiederzufinden. Von klein auf ist Djokovic ein Besessener dieses Sports gewesen, der sein gesamtes Leben akribisch einzig dem Erfolg im Tennis verschrieben und untergeordnet hatte. Nun hat er geheiratet, wird bald Vater. Tennis ist nicht mehr alles. „Die Prioritäten in meinem Leben haben sich jetzt verschoben, das wird sicherlich einen Einfluss haben“, glaubt Djokovic, „aber ich liebe den Sport. Und ich hoffe, ich kann weiter große Titel gewinnen und die Nummer eins bleiben.“ Damit ihm das auch in New York gelingt, hat er einen simplen Plan: „Ich spiele einfach mit zwei Schlägern.“ Seinen Humor hat er mit der Heirat zumindest nicht verloren.

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