zum Hauptinhalt

Sport: Verliebt in Paris

Nach ihrer Krise hat Justine Henin die Lust am Tennis wiederentdeckt und gewinnt die French Open

Mit einem Volley beendet sie das ungleiche Spiel. Justine Henin wirft den Schläger hoch in die Luft und greift sich mit beiden Händen fast ungläubig an den Kopf. Der enorme Druck, der zwei Wochen lang auf ihr lastete, fällt mit einem Mal von ihr ab, und sie strahlt über das ganze Gesicht. Mit 6:1 und 6:2 hatte sie die Serbin Ana Ivanovic in einem einseitigen Finale bezwungen und sich damit ihren vierten Titel bei den French Open gesichert. Es war sogar ihr dritter in Folge in Paris, das hatte vor ihr in der Open Era nur Monica Seles von 1990 bis 1992 geschafft. Doch fast wichtiger noch als der Hattrick schien etwas anderes zu sein: Henin hatte endlich ihr Lächeln wiedergefunden.

Denn noch zum Jahresbeginn machte die Belgierin eine schwere persönliche Krise durch. Ihre Ehe mit Pierre-Yves Hardenne, mit dem die 25-Jährige seit November 2002 verheiratet war, stand kurz vor dem Ende. Henin sah sich nicht in der Lage, an den Australian Open teilzunehmen und sagte das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres ab. Sie brauchte Zeit, um wieder zu sich zu finden und „die neue Situation zu akzeptieren“. Es sei nun ein „anderes Leben“, das sie führe, sagte sie: „Es ist viel passiert in den vergangenen Monaten, aber jetzt kann ich sagen, dass ich sehr glücklich bin.“

Erst Mitte Februar kehrte sie wieder unter ihrem Mädchennamen auf die Tour zurück, die Weltranglistenerste konnte aber schnell an ihre alte Stärke anknüpfen. Drei Turniersiege verbuchte sie bis zu den French Open, in Dubai, Doha und Warschau. Nur die Generalprobe vor Paris in Berlin misslang. „Es hat ein bisschen gedauert, bis Tennis wieder auf meiner Liste der Prioritäten ganz oben erschien. Aber die Liebe zum Spiel ist zurück.“ Dass Henin wieder Freude an ihrem Sport hat, ist in Paris noch deutlicher als anderswo zu erkennen: „Das ist mein absolutes Lieblingsturnier. Hier fühle ich mich wie zu Hause.“ Gestärkt wird dieses Gefühl besonders durch das Publikum in Roland Garros, das die aus dem französischsprachigen Teil stammende Belgierin frenetisch unterstützt, obwohl sie auf dem Platz oft verbissen wirkt und nur selten Emotionen zeigt. Die Franzosen scheinen sie adoptiert zu haben, vielleicht auch ein wenig aus einer Not heraus, da ihre geliebte Lokalheldin Amelie Mauresmo in Paris regelmäßig früh scheitert.

Für Henin begannen die French Open in diesem Jahr allerdings mit kleinen atmosphärischen Störungen. Sie sah es fast als Strafe an, als Titelverteidigerin bereits am Eröffnungssonntag antreten zu müssen und äußerte sich recht missmutig zu den Spielansetzungen. Dazu wirbelten Regenfälle den Spielplan durcheinander und brachten auch für sie lange Wartezeiten mit sich. Henin trotzte den Umständen, ebenso wie zwei unangenehmen Gegnerinnen zum Auftakt und steigerte sich von Match zu Match. Weder Serena Williams noch Jelena Jankovic hatten dem taktisch klugen Spiel der Belgierin etwas entgegenzusetzen, ebenso wenig wie ihrer stärksten Waffe: ihrer einhändigen Rückhand, der wohl besten auf der Damen-Tour. Einen deutlichen Eindruck davon bekam auch die 19-jährige Ivanovic in ihrem ersten Grand-Slam-Finale zu spüren. Der Serbin gelang zwar das frühe Break im ersten Satz, doch Henin sicherte sich danach acht Spiele in Folge und gab die Kontrolle über das Geschehen auf dem Court Philippe Chatrier nicht mehr aus der Hand.

„Man muss im Leben hinnehmen, was hinter einem liegt. Ich schaue nur noch nach vorne“, sagte Henin und vielleicht liegt genau darin ihre neu gewonnene Stärke. Die French Open seien ihre ganz persönliche „Lovestory“, erzählte sie vor dem Turnierbeginn. Und auch, wenn der gleichnamige Film ein tragisches Ende nimmt, so scheint es, dass die Realität für Henin ein Happy End bereit hält.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false