zum Hauptinhalt

Sport: Versuch einer Auferstehung

Im Trainingslager kommt Torhüter Oliver Kahn ein neuer Gedanke: Er will ins Ausland wechseln

Der Pfingstsonntag hielt für Oliver Kahn wieder so einen schlechten Moment parat, wie er ihn in der vergangenen Saison öfters erleben musste. Das Trainingsspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hatte gerade Tempo aufgenommen, als es passierte: Weil die Tore nur etwa 40 Meter auseinander standen, warf Jens Lehmann von seinem Gehäuse aus den Ball mit voller Wucht ins gegnerische Tor. Ins Tor von Oliver Kahn. Die 3000 Zuschauer im Elztal-Stadion johlten. Kahn sagte nur: „Das zählt nicht.“

Auf einen Patzer mehr oder weniger kommt es nicht mehr an. Da waren Kahns Fehlgriffe, die dem FC Bayern München das Ausscheiden aus Champions League und DFB-Pokal bescherten sowie die Meisterschaft kosteten. Nun möchte Kahn Konsequenzen aus der schlechten Saison ziehen – und denkt über einen Wechsel ins Ausland nach. Dem „Sportinformationsdienst“ sagte er: „Wenn ich die Möglichkeit hätte, noch einmal zu einem anderen Topverein zu wechseln, dann müsste ich das jetzt zur neuen Saison machen.“

Es bleibt Kahns Geheimnis, warum er ausgerechnet wenige Tage vor der Fußball-Europameisterschaft (12. Juni bis 4.Juli) eine neue Diskussion eröffnet. Offenbar hat Deutschlands Nummer eins selbst bei den Bayern einen zunehmend schweren Stand. Angeblich ist Kahn beim FC Bayern isoliert. Kahn hat bereits überlegt, das Kapitänsamt abzugeben. „Eine Saison, in der es permanent nur Krisenherde und Kritik an der Mannschaft gab, kostet viel Substanz“, sagte Kahn gestern. „Deswegen merke ich hier im Trainingslager, wie man sich plötzlich entspannt. Ich kann mich total auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Das ist anders als beim FC Bayern.“

Eigentlich wollte er die Tage im Trainingslager in Winden nutzen, um Energie für das Turnier in Portugal zu sammeln. „Er hat sich voll ins Training gestürzt“, erzählt Torwarttrainer Sepp Maier. Kahn hatte erst kürzlich sein Privatleben neu geordnet, ein paar Pfunde abgenommen und viele Extraschichten im Trainingslager absolviert. „Vielleicht muss ich in diesem Jahr durch die Hölle, aber ich werde wieder aufstehen“, hatte Kahn erzählt. Seinen Fans käme das einer Auferstehung gleich, für die sich sogar ein Datum anbietet: der 15. Juni. An diesem Tag bestreitet die deutsche Elf ihr EM-Auftaktspiel gegen Holland. Von diesem Spiel wird abhängen, ob es ein gutes oder ein schlechtes Turnier für das deutsche Team wird. An diesem Tag wird Oliver Kahn 35 Jahre alt.

„Der Oliver muss hier sehr viel trainieren, um die Leistung abrufen zu können, die wir erwarten“, sagt Rudi Völler. Der Teamchef hatte im ersten Testspiel gegen Malta (7:0) Kahns Konkurrenten Jens Lehmann aufgeboten. Kahn, der seinen Platz nie freiwillig räumen würde, hatte dem zugestimmt.

Vielleicht wäre es gut für ihn, mal etwas anderes kennen zu lernen. Eine Erfahrung, die ihm Jens Lehmann vom FC Arsenal voraushat. Das Ausland reize ihn, sagt Kahn. Er wolle noch mal die Champions League gewinnen, darum könne „es nur ein absoluter Topklub sein“. Bayerns Trainer Felix Magath geht davon aus, dass es sich dabei nur um Kahns Arbeitgeber handeln könne („Ich plane mit ihm.“). Zumal: Welcher Spitzenverein Europas soll Kahn in der Verfassung von 2003/04 engagieren? Zugetraut hätte man es dem FC Chelsea, doch die Londoner haben gerade erst Petr Cech, Tschechiens Nationaltorwart, unter Vertrag genommen. Der ist 13 Jahre jünger.

Ach ja, das Alter kommt inzwischen auch noch erschwerend hinzu.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false