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Wehmütig, aber dennoch mit voller Power dabe: U23-Trainer Köstner.

© picture alliance / dpa

VfL Wolfsburg: Von oben nach unten

Wolfsburg-Coach Köstner trauert dem Profijob in der Bundesliga nach. Trotzdem ist er auch bei den Nachwuchsspielern mit Herzblut dabei.

Lorenz-Günther Köstner bewegt immer noch die Gemüter, auch in Berlin. Der Trainer hat gerade nach einem Testspiel gegen Hertha BSC Unterschlupf vor dem Regen gesucht, unter einem Kabinenvordach. Da sprechen ihn innerhalb weniger Minuten zwei weibliche Wolfsburger Fans an und sagen: „Wir hätten gerne mit dir weitergemacht. Du hast das besser gemacht als manch ein anderer.“ Köstner nimmt die Gefühlsausbrüche hin, wie er seine Degradierung hingenommen hat, zurück vom Profi- zum Amateurtrainer beim VfL Wolfsburg: mit Fassung und einem kleinen, faltigen Lächeln.

Köstner war eines der Gesichter der Bundesligahinrunde, als er die Wolfsburger Millionentruppe von Felix Magath übernahm, ihr den Nichtabstiegsplatz zurückgab und das Lachen. Trotz 14 Punkten in neun Spielen und des Einzugs ins Pokalviertelfinale musste er weichen. Wie verkraftet das ein Trainer mit 60 Jahren, einst selbst Erstligacoach, zum zweiten Mal zu helfen und zum Dank wieder zum Amateurtrainer zurückgestuft zu werden?

„Die Umstellung ist nicht ganz so groß“, sagt Köstner mit fränkisch rollendem R, nachdem er mit Nachwuchsspielern vor 900 Leuten 1:2 verloren hat, statt vor 30 000 Zuschauern Bundesligaprofis zu coachen. „Ich hätte gern weitergemacht, aber ich respektiere die Entscheidung – das musste ich auch erst einmal lernen.“

Die Profis weilen mit dem neuen Trainer Dieter Hecking in der Türkei. Hecking, der früher sein Spieler war, in Kassel. „Eine gute Wahl“, sagt Köstner, aber er schwärmt von anderen. Von Edin Dzeko oder Zvjezdan Misimovic, die gestürzte Meistermannschaft, die er 2010 ein halbes Jahr betreute. Von Ivica Olic und Diego. Diego! „Das macht schon Spaß, oben zuzusehen“, sagt er wehmütig. Er spricht oft von oben, den Profis, der Bundesliga. Und unten, den Amateuren, der Regionalliga. „Unten muss ich eher Überzeugungsarbeit leisten“, sagt er. 1999 führte er Unterhaching in die Bundesliga, nun erklärt er dem Nachwuchs, was noch fehlt zum Profifußball. „Ein guter Spieler setzt sich durch, wenn du die Chance hast, musst du sie nutzen“, predigt er. Auch wenn er sich vielleicht insgeheim fragt, was ihm gefehlt hat.

Köstner ist immer noch mit Herzblut dabei, in den 90 Minuten gegen Hertha setzt sich der klein gewachsene Coach in der dicken Trainingsjacke kaum einmal hin, wedelt an der Seitenlinie mit den Armen.

„Wenn die Spieler merken, da ist jemand mit Leidenschaft dabei, dann springt etwas über“, ist Köstner überzeugt. „Junge Spieler zu entwickeln, bereitet Freude – oben dabei zu sein noch mehr, da bin ich ganz ehrlich.“ Es ist seine Art: immer offen, direkt. Das kam an, bei den Profis und den Fans. Zu dem Job als Amateurtrainer musste Köstner einst sein Freund Felix Magath überreden. Ein halbes Jahr nur, hieß es, Köstner blieb vier. Auch als Magath ihn mit zu Schalke nehmen wollte. Auch, als ihn Albanien als Nationaltrainer wollte. Denn Köstner stand in Wolfsburg im Wort. Ende Juni läuft sein Vertrag aus. Kommt da Sehnsucht auf, nach oben?

„Blut geleckt hat man immer“, sagt er, „aber es bringt nichts, auf Angebote zu warten oder ihnen hinterherzujagen.“ Von dem zweiten Intermezzo als Profitrainer bleibe ihm „Gelassenheit, innere Zufriedenheit, Bestätigung“. Am 25. Oktober hielt Köstner mittags eine Ansprache vor der U23. Zwei Stunden später musste er vor die Profis und war ein wenig nervös. „Es ist schön zu sehen, dass ich sie immer noch erreiche“, sagt er nun. „Mit der richtigen Einstellung, auch zu sich selbst, macht man gute Arbeit, unten und oben“, sagt Köstner. Und hadert doch: „Ich hätte gerne noch ein Spiel mehr gewonnen.“

Die quälende Frage: Wäre dann alles anders gelaufen? Köstner verschwindet im Bus der Wolfsburger Amateure. Einer der weiblichen Fans sagt: „Alle nennen uns abgehoben, dabei wollen wir Bodenständigkeit – einen wie ihn.“

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