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Richter-Vietor

© dpa

Vielseitigkeitsreiten: Tod im Gelände

Das Vielseitigkeitsreiten beklagt erneut ein Unglück - es ist das zweite innerhalb von sieben Tagen. Das Reiten gehöre eben zu den gefährlicheren Sportarten, sagt der Präsident der Reiterlichen Vereinigung.

Am Tag danach sahen sich die Sicherheitsbeauftragten der Internationalen Reiterlichen Vereinigung das Hindernis Nummer zwei noch einmal an. Die Fachleute rätseln, warum der neunjährige Oldenburger Wallach Paulchen Panther bei der deutschen Meisterschaft im Vielseitigkeitsreiten mit der Vorderhand an der quer liegenden Eiche auf 1,10 Meter Höhe hängen blieb und seine erfahrene Reiterin über die Naturhürde katapultierte. Dem stolpernden Pferd ist nichts passiert. Tina Richter-Vietor aber blieb tödlich verletzt liegen.

Zwei Todesfälle in nur sieben Tagen schrecken den deutschen Reitsport auf. Beide Male waren Vielseitigkeitsreiterinnen betroffen. Die Deutsche Meisterschaft wurde nach dem Vorfall auf Wunsch der Reiter abgebrochen, eine Feier abgesagt. Turnierchef Hinrich Groth sagte: „Das Hindernis war eigentlich eine leichte Aufgabe, quasi zum Warmwerden und um die Aufmerksamkeit des Pferdes langsam zu steigern.“ Zwei Hindernisrichter hatten beobachtet, dass Richter-Vietors Pferd zu dicht ans Hindernis heran geritten war – ob dies nun ein Fehler der Reiterin war oder ihr Pferd sich verschätzt hatte, diese Frage wird wohl unbeantwortet bleiben. Es gibt kaum weitere Zeugen.

Sanitäter waren sofort zur Stelle, ein Rettungshubschrauber wurde angefordert, doch der Turnierarzt konnte nur den Tod der 32-Jährigen feststellen. In den nächsten Tagen soll eine gerichtsmedizinische Obduktion Klarheit bringen, ob wirklich ein Genickbruch zum sofortigen Tod führte. Die Eltern des Opfers waren in Schenefeld ebenfalls dabei – sie sind begeisterte Förderer des Vielseitigkeitsreitens.

Eine Woche zuvor hatte die 40-jährige Anke Wolf ihr Leben im Gelände einer Vielseitigkeitsprüfung verloren. Sie startete beim Hamburg-Cup in Neu Wulmstorf. Sie kam zwar erst später zum Reitsport, galt aber keineswegs als Anfängerin. Ihr wurde bei widrigeren Bodenverhältnissen das Schlusshindernis zum Verhängnis – ein Holzwall. Ihr Pferd überschlug sich, stürzte auf sie. Die Untersuchung ergab, dass sie bereits tot war, bevor der Pferdekörper sie unter sich begrub. Die beiden Unglücke in Deutschland sind weltweit die Todesfälle sechs und sieben in diesem Jahr. Zuletzt kam in Deutschland im August 2003 Marc Grigoleit aus Nerchau bei Grimma bei einem Geländeritt-Sturz ums Leben. Von Mai 1999 bis Mai 2000 zählte man in Großbritannien sechs Todesstürze in der Military, wie die Vielseitigkeit früher hieß. Stürze in Serie bei den Olympischen Spielen in Sydney 2000 sowie bei den Weltreiterspielen im spanischen Jerez 2002 brachten Tierschützer auf den Plan. Daraufhin wurde die Geländestrecke erheblich verkürzt und entschärft.

Der Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, Breido Graf zu Rantzau, auch am Sonnabend in Schenefeld, wies darauf hin, dass es in vielen Stallanlagen und Höfen ebenfalls zu Unfällen komme. Das Reiten gehöre eben zu den gefährlicheren Sportarten, sagte er: „Jetzt geht sie wieder los, die Diskussion um unseren Sport.“ Eine Amateurreiterin diskutierte in Schenefeld eifrig die Frage, ob man den Helm noch optimieren könne, vor allem, wie man den Nackenbereich, die Schulterpartie und die Wirbelsäule besser schützen könne. Richter-Vietor trug vorschriftsmäßig ihre Sicherheitsutensilien wie Schutzweste und Helm, dazu am Arm die Medicalcard, auf der für den Notfall immer alle medizinischen Daten notiert sind. All dies konnte ihr nicht helfen.

Dieter Hanisch[Schenefeld]

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