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Die letzte Hürde. Herthas Torhüter Thomas Kraft war nicht zu überwinden - weil seine Vorderleute entschlossen verteidigten.

© dpa

Vierter Platz in der Bundesliga: Höher geht’s nicht für Hertha BSC

Hertha BSC besiegt Mönchengladbach, weil die Mannschaft zeigt, dass sie auch Defensive kann. Doch während die Fans Tabellenplatz vier euphorisch feiern, bleiben Spieler und Trainer ganz nüchtern.

Am Ende ging es im Olympiastadion doch noch in die totale Offensive: Sämtliche defensiven Sicherungen wurden über Bord geworfen. Das war in dem Moment, als auf der Anzeigetafel die aktuelle Tabelle der Fußball-Bundesliga eingeblendet wurde. „Europapokal, Europapokal“, sangen die Fans von Hertha BSC. Und mit Blick auf das nächste Spiel: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus.“ Wenn Hertha BSC, der Aufsteiger aus der Zweiten Liga, am kommenden Wochenende in München antritt, beim Gewinner von Meisterschaft, Pokal und Champions League, dann ist dies das Spitzenspiel des zehnten Spieltags. Die Berliner reisen als Tabellenvierter an, sie sind jetzt sozusagen die Besten vom Rest: hinter Bayern, Dortmund und Leverkusen.

„Die Fans sind natürlich sehr stolz im Moment“, sagte Herthas Trainer Jos Luhukay. „Sie sind euphorisiert.“ Das ist ihr gutes Recht, genauso wie es die gute Pflicht der Spieler ist, nach dem 1:0-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach nicht gleich auszuflippen. Die Gefahr scheint überschaubar zu sein. Bei Hertha machte niemand den Eindruck, als wollte er ein bisschen auf der Welle mitsurfen. „Wir werden sehr nüchtern und sehr realistisch mit dieser Situation umgehen“, sagte Luhukay.

Europapokal, Spitzenspiel – die Spieler lächelten nur müde. „Es muss uns immer bewusst sein, worum es geht“, sagte Torhüter Thomas Kraft. Um den Klassenerhalt und nichts als den Klassenerhalt. Die Tabelle? Schön für den Moment, mehr nicht. Höher hinaus wird es für Hertha, nach menschlichem Ermessen, in dieser Saison nicht mehr gehen. Schon am nächsten Wochenende, nach dem Spiel bei den Bayern, kann es wieder nach unten gehen. „Träumen dürfen wir“, sagte Luhukay, „aber nicht alle Träume werden wahr.“

Herthas Trainer weiß das Tabellenbild richtig zu deuten; und wenn er nach dem ersten Viertel der Saison zu einem positiven Zwischenfazit gelangt, hat das weniger mit Platz vier zu tun als mit der Art, wie Hertha bisher Fußball spielt. „Es ist eigentlich beeindruckend, wie schnell sich die Mannschaft in der Bundesliga eingelebt hat“, sagte Luhukay. „Das ist nicht normal.“ In keiner der neun Begegnungen hat Hertha richtig schlecht ausgesehen – was für einen Aufsteiger ja nichts Ehrenrühriges wäre. Selbst bei den beiden Niederlagen (in Wolfsburg und gegen Stuttgart) waren die Berliner mindestens gleichwertig. Und mit Zufall oder Glück habe das wenig zu tun gehabt, findet Herthas Trainer.

Auch der Sieg gegen die Gladbacher, die zuvor auf Platz vier gelegen hatten, folgte einem Plan. Luhukays Plan B.

Eigentlich wollten die Berliner ihren Gegner früh attackieren, die Gladbacher dadurch beeindrucken, vielleicht sogar verunsichern. Nach einer Viertelstunde aber stellten alle Beteiligten fest, dass ihnen das nicht annähernd so gut gelang, wie es zuletzt Borussia Dortmund gelungen war. „Wir haben gemerkt, dass Gladbach sehr ballsicher ist“, berichtete Innenverteidiger Sebastian Langkamp. Doch die Berliner waren auf diese Situation vorbereitet. Sie zogen sich weiter zurück, pressten nur noch situativ, zunächst im Mittelfeld, später sogar noch tiefer. „Wir haben taktisch auf einem sehr hohen Niveau gespielt“, sagte Langkamp am Tag nach dem Spiel. „Gestern haben alle gemerkt, dass wir mannschaftstaktisch einen großen Schritt nach vorne gemacht haben.“

Gegen Gladbach wichen die Berliner erstmals von ihrer Linie ab. Luhukays Ansatz ist eigentlich ein entschieden offensiver. Hertha soll angreifen, um zu verteidigen. Am Samstag aber passte der Trainer das Spiel seiner Mannschaft den Gegebenheiten an: „Es war zum ersten Mal für alle sichtbar, dass wir defensiv sehr gut stehen. Auch so kann man zum Erfolg kommen.“ Schon mit seiner Aufstellung hatte Luhukay dokumentiert, dass er diesen Fall zumindest einkalkuliert hatte. Anstatt die Sechserposition neben Hajime Hosogai mit einem offensiv ausgerichteten Schalterspieler zu besetzen, entschied er sich für den Routinier Lewan Kobiaschwili zur Wahrung der Stabilität; und als Kobiaschwili verletzt vom Feld musste, brachte Luhukay Peter Niemeyer, der seine Stärken ebenfalls in der Defensive hat.

Das Spiel gegen Gladbach bescherte Luhukay und seinen Spielern die wertvolle Erkenntnis: Wenn es offensiv nicht läuft, kann sich Hertha zumindest auf die defensive Stabilität verlassen: „In der Wechselwirkung macht die Mannschaft das sehr gut“, sagte Luhukay. Vor allem im Hinblick auf die nächsten Spiele war das möglicherweise eine hilfreiche Erfahrung. In den nächsten vier Wochen spielt Hertha unter anderem gegen die drei Champions-League-Teilnehmer Bayern, Schalke und Leverkusen. Vertrauen in die eigene Defensive schadet da ganz sicher nicht.

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