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Sport: Völlig losgelöst

Mit dem Gewinn des WM-Titels können sich die deutschen Fußballerinnen von den Männern emanzipieren

Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein: Über Frauenfußball kann nur berichtet werden, wenn gleichzeitig vom Männerfußball die Rede ist. So war es in den deutschen Medien, so war es auch im US-Fernsehen. Das ließ nach dem Halbfinalsieg der deutschen Fußballfrauen gegen die gastgebenden US-Spielerinnen den deutschen Startorhüter Oliver Kahn über die Bildschirme hechten, um den Amerikanern zu erklären, welch glanzvolle Leistung auch die deutsche Torfrau Silke Rottenberg vollbracht hat.

Egal, ob die deutschen Frauen heute das Endspiel (19 Uhr, live in der ARD) gegen Schweden gewinnen oder nicht – ein Gegner wird ihnen nach Gewinn des ersten Titels bleiben: die Männer.

Bundestrainerin Tina Theune-Meyer winkt ab. Nach dem Turnier wird sie – wie nach jedem großen Frauenfußball-Ereignis – wieder fordern, dass die Frauen-Bundesliga sich endlich positioniert. Eigene Sponsoren, bessere Stadien, mehr Nachwuchsarbeit im Frauenbereich – es gibt viel zu tun. Aber inzwischen mag Theune-Meyer diese Diskussion nicht mehr recht. „Die Entwicklung, die unsere Mannschaft durchgemacht hat, hat mit dem, was in Deutschland passiert, nicht viel zu tun“, sagt die Trainerin. Weltklassespielerinnen wie Maren Meinert, Bettina Wiegmann oder Birgit Prinz, die in den USA seit zwei Wochen mit Athletik, exzellenter Technik und großem Selbstbewusstsein auffallen, haben ihren Job in Deutschland gelernt. Gegen schwache Gegnerinnen, vor leeren Tribünen, mit dürrer Bezahlung. Allein den letzten Schritt in Richtung Weltklasse gingen sie fernab der Heimat, in den USA, wo sie sich von morgens bis abends ihrem Sport widmen, sich in einer Profiliga mit den besten Fußballerinnen der Welt messen – und in der sechsmonatigen Saison bis zu 60 000 US-Dollar verdienen konnten.

Die Profiliga ist wenige Tage vor WM-Beginn aus finanziellen Gründen fürs Erste eingestellt worden. Und jetzt wurden die Amerikanerinnen von den Frauen, die sie selbst gerufen haben, deutlich durch eine 0:3-Niederlage aus dem Turnier geworfen. Jede der sieben Nationalspielerinnen, die eine Zeit lang in den USA gekickt hat, habe dort „einen Sprung nach vorn gemacht“, sagt Theune-Meyer. Deshalb holte die Trainerin vor der WM gerade diese Spielerinnen zurück in den Nationalkader. Allen voran zwei Frauen, die nach dem EM-Sieg 2001 aus dem Nationalteam zurückgetreten waren: Steffi Jones, die in der US-Liga mit Washington Freedom gerade Meister geworden war. Und Maren Meinert, in der Liga der Besten soeben als Allerbeste ausgezeichnet (siehe Kasten rechts).

Beide folgten dem Ruf der Bundestrainerin. Und Theune-Meyer machte nach ihrer Rückholaktion kein Geheimnis daraus, dass das Ganze einem großen Ziel, dem Gewinn der Weltmeisterschaft, diene. „Wir sind nicht zum Ausflug hier“, sagte sie vor dem Turnier. Auch die Spielerinnen begriffen schnell, um was es für sie bei diesem Turnier geht – den Titel. „Wir haben eine ernsthafte Chance zu gewinnen“, sagte Birgit Prinz im Verlauf der Vorrunde. Und ihre kongeniale Sturmpartnerin Meinert antwortete bereits im August, als sie noch nicht reaktiviert war, auf die Frage nach dem neuen Weltmeister kurz und bündig: „Deutschland“.

Viele männliche Nationalspieler hätten sich das wohl nicht getraut.

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