zum Hauptinhalt

Sport: Von der Leiter Gefallen

Der lange Dieter Hoeneß machte sich ganz klein, unten auf der Ersatzbank von Hertha BSC. Zwei Stühle weiter kauerte der Trainer.

Der lange Dieter Hoeneß machte sich ganz klein, unten auf der Ersatzbank von Hertha BSC. Zwei Stühle weiter kauerte der Trainer. Und dabei machte Jürgen Röber ein Gesicht wie ein Spieler, der sich zu unrecht aus dem Spiel genommen sieht und bockt. Hertha lag zu diesem Zeitpunkt im fast leeren Olympiastadion 0:3 gegen Servette Genf zurück und keiner mehr hatte einen Funken Hoffnung. Lucien Favre dagegen, Genfs Trainer, verbrachte einen schönen Abend in Berlin. Später saß er mit funkelnden Augen vor der Presse, verteilte verbale Nettigkeiten an alle, die solche hören und nicht hören wollten. Schließlich sagte er etwas Bemerkenswertes. Favre wurde gefragt, ob der Bundesligist tatsächlich so arrogant aufgetreten sei, wie es in den Zeitungen der Schweiz geschrieben stand. Favre senkte seinen Kopf und sagte leise: "Das ist nicht mein Problem."

Zum Thema Fotostrecke I: Bilder der Saison 01/02 Fotostrecke II: Hertha Backstage Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Aber es ist Herthas Problem. Was wiederum dem Manager nun überhaupt nicht in den Kram passt. "Ich habe immer gesagt", sagt Dieter Hoeneß, "dass das 0:0 aus dem Hinspiel in Genf eine gute, aber auch eine gefährliche Ausgangsposition ist". Nach dem Rückspiel lässt sich sagen: Bei Hertha haben sie wirklich mit allem gerechnet, nur nicht mit einer Niederlage.

Herthas hübsche Serie aus dem Spätherbst ist futsch. Zehn Spiele lang blieb der Verein ungeschlagen. Die Bayern besiegt und jetzt das: 0:3 gegen Servette Genf, derzeit Sechster der Schweizer Liga. In 60 internationalen Auftritten war es Herthas zweithöchste Niederlage überhaupt. Und: Noch nie in der Geschichte des europäischen Fußballs ist eine deutsche Mannschaft gegen eine Schweizer Mannschaft auf der Strecke geblieben. Dann kam Hertha.

Auch Trainer Jürgen Röber hatte sich den Ausgang des Spiels und des Abends ein wenig anders vorgestellt. Nach 22 Jahren sollte Hertha mal wieder in ein Achtelfinale eines internationalen Wettbewerbs einziehen. Röber wollte den jüngsten Aufwärtstrend festigen und Argumente sammeln für seine Weiterbeschäftigung bei Hertha über den Sommer des kommenden Jahres hinaus. Dann nämlich endet sein Vertrag. "Noch vor Weihnachten", sagt Röber, will er das geklärt haben. Nun wird vieles davon abhängen, wie sich sein Team durch die restlichen Spiele bis zum Fest schlägt. In der Bundesliga warten Schalke, Leverkusen und St. Pauli, im DFB-Pokal Eintracht Frankfurt. "Wir dürfen uns jetzt nicht von der Niederlage aufhalten lassen", sagt Röber. "Du musst das total abhaken, das habe ich meinen Spielern schon direkt nach dem Spiel in der Kabine gesagt."

Dieter Hoeneß hätte wohl gern noch einiges andere gesagt. Doch der Manager will die Mannschaft nach dem diesem Erlebnis nicht noch mehr verunsichern. "Die Mannschaft weiß sehr wohl, was sie geleistet hat in den vergangenen Wochen." Dass Hertha erneut an der Schwelle zur attraktiven Endphase im Uefa-Cup hängen blieb, ärgert den Manager. Aus den ersten beiden Ruden gegen Kundschaft aus Westerlo (Belgien) und Stavanger (Norwegen) war beim besten Willen kein Gewinn zu erzielen. Genf war ein Gegner, der zwar nicht die Massen mobilisierte, aber vage Hoffnungen auf ein Weiterkommen zuließ. Und nach der Winterpause käme die europäische Fußballprominenz. "Die Einnahmen, die jetzt gekommen wären, kommen jetzt nicht mehr", sagt Hoeneß. Wieder mal nicht. Bereits im Vorjahr war Hertha auf gleicher Höhe von der Leiter gefallen: Aus in der dritten Uefa-Cup-Runde, damals gegen Inter Mailand. "Was wir finanziell veranschlagt hatten, ist erreicht. Aber was wir sportlich erreichen wollten, nicht", sagt Hoeneß, der mitansehen konnte, wie wenig Spielraum manchmal zwischen Selbstbewusstsein und -überschätzung liegt. Niemand bei Hertha wird zugeben, den Gast aus der Schweiz vielleicht doch unterschätzt zu haben. Natürlich nicht. Aber wie anders sind die Unkonzentriertheiten der hochbezahlten Profis zu erklären? Wie anders darf die Wechseltaktik des Trainers charakterisiert werden? Nachdem schon Abwehrchef Dick van Burik des Feldes verwiesen worden war (Notbremse, 17. Spielminute) nahm Röber beim Halbzeitstand von 0:1 noch einen weiteren Abwehrspieler (Andreas Schmidt) vom Platz und brachte einen vierten Stürmer (Ali Daei). Mit welchem Ergebnis, ist bekannt. Genf schoss noch zwei Tore - Ali Daei köpfte einmal am Tor vorbei.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false