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Ins Achtelfinale gesegelt. Die Algerier Essaid Belkalem (o.) und Abdelmoumene Djabou feiern den WM-Erfolg mit Fahnen.

© Reuters

WM 2014: Von Gijon bis Zidane: Deutschlands WM-Gegner Algerien

Am Montag trifft Deutschland im WM-Achtelfinale auf Algerien. Wir stellen den Gegner vor. Eine Mannschaft zwischen Camus, Ramadan und Laserpointer.

BILANZ
Es war ein bisschen geflunkert, als Trainer Vahid Halilhodzic sagte, nun spiele „das kleine Algerien gegen das große Deutschland“. Zunächst einmal ist der nordafrikanische Küsten- und Wüstenstaat flächenmäßig fast sieben Mal größer. Und auch die Historie spricht für den vermeintlichen Außenseiter: zwei Spiele, zwei Siege. Kurz nach der Unabhängigkeit des Landes verloren die Deutschen 1964 ein Testspiel in Algier 0:2. Weitaus überraschender war die 1:2-Niederlage zum WM-Auftakt 1982. Dennoch haben eher die Algerier Anlass zu Revanchegefühlen: Weil sich Deutsche und Österreicher bei der „Schande von Gijon“ auf ein 1:0-Resultat einigten, schied Algerien trotz eines 3:2-Sieges gegen Chile nach der ersten Gruppenphase aus. Hoffnung dürfte der von dieser Bilanz sicher völlig verunsicherten DFB-Elf die Tatsache geben, dass Algerien seine höchste Niederlage gegen eine deutsche Mannschaft kassierte: 0:5 hieß es gegen die DDR 1976 in Cottbus.

STARS
Die bekanntesten Algerier entschieden sich allesamt für Frankreich: Zinedine Zidane, Karim Benzema und Albert Camus, einst Torwart bei Racing Universitaire d’Alger. Trotzdem laufen einige der über 1,5 Millionen in Frankreich lebenden Algerier für die Heimat ihrer Eltern auf: 16 der 23 WM-Fahrer sind im Land der alten Kolonialmacht geboren. Sie profitieren von der Ausbildung im dortigen Jugendfußball, spielen aber mittlerweile über ganz Europa verteilt, je vier Spieler in Italien und Spanien, je drei in England, Portugal und Frankreich. Mit knapp 26 Jahren im Schnitt ist der Kader ähnlich jung wie der Deutsche. Die wichtigsten Spieler sind Flügeldribbler Sofiane Feghouli vom FC Valencia, Mittelfeldtalent Nabil Bentaleb von Tottenham Hotspur und Stürmer Islam Slimani von Sporting Lissabon, der Algerien gegen Russland ins Achtelfinale köpfte. Kapitän und Abwehrchef Madjid Bougherra spielt allerdings in Katar, Torwart Rais M’Bofi saß sogar in Bulgarien bei ZSKA Sofia zeitweise nur auf der Bank.

FANS

„Wir haben mehr Fans als Deutschland“, sagte Trainer Halilhodzic. Das könnte sogar hinkommen, auch wenn Algerien nur mit 32 Millionen knapp halb so viele Einwohner hat. „Dieser Erfolg ist für alle Algerier auf der ganzen Welt, für alle Araber und alle Muslime“, stellte Spieler Feghouli schließlich nach dem Achtelfinaleinzug fest. In der Hauptstadt Algier gab es Feuerwerk und Autokorsos, in Frankreich kam es auch zu Ausschreitungen, mit 74 Festnahmen und etwa 30 brennenden Autos. In Brasilien wurde das Team von etwa 7000 Exil-Algeriern unterstützt, die angeblich den russischen Torwart mit einem Laserpointer blendeten.

TRAINER

Der Bosnier Halilhodzic hat so seine Erfahrungen mit afrikanischen Mannschaften. 2010 führte er die Elfenbeinküste zur WM, aber wurde kurz vor dem Turnier abgelöst. Ähnliches drohte dem 61-Jährigen auch in Algerien, aber der Vertrag war wasserdicht. Nach der WM endet der allerdings, der Franzose Christian Gourcuff soll sein Nachfolger werden. Nachdem Algerien bei der WM 2010 torlos ausschied, ließ der Trainer offensiver verteidigen und mehr angreifen, schwierige Charaktere strich er aus dem Kader. Mit den einheimischen Medien liegt der autoritäre Halilhodzic im Streit. Und das nicht erst seit Zeitungen schrieben, die Spieler hätten in der Halbzeit gegen Belgien gegen die defensive Taktik rebelliert und dass der Verbandschef über die Aufstellung entscheiden wolle. Er blockte auch Nachfragen ab, ob das am Samstag beginnende Ramadanfasten seine muslimischen Spieler schwächen könne. „Wir fasten im Ramadan und verspeisen die Deutschen zum Fastenbrechen“, schrieb dafür eine Zeitung.

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