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Spätzünder. Florian Mayer spielt so gut wie noch nie bei den Australian Open. Foto: AFP

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Sport: Von sich selbst überrascht

Florian Mayer erreicht Achtelfinale in Melbourne.

Melbourne - Der 30. Geburtstag ist für manche Menschen Anlass genug, gründlich über sich nachzudenken und eine Zwischenbilanz zu ziehen. Was habe ich bisher erreicht in meinem Leben und wo will ich noch hin? Das fragte sich auch Tennisprofi Florian Mayer im vergangenen Herbst. Und wenn Sportler die 30 kommen sehen, dann wird ihnen meist schlagartig bewusst, dass sie auf die Zielgerade ihrer Karriere eingebogen sind und ihnen nicht mehr unendlich viel Zeit bleibt, Verpasstes noch nachzuholen. „Ich musste mich einfach fragen, was passiert, wenn ich irgendwann aufhöre und dann nicht zufrieden bin mit dem, was ich erreicht habe“, sinnierte Mayer. Und ihm wurde klar, dass das noch nicht alles gewesen sein konnte. Er wollte mehr als die Nummer 43 der Welt sein. Und vor allem sollte Tennis wieder Spaß machen. Der Geburtstagswunsch erfüllte sich: Bei den Australian Open steht er nach dem souveränen 7:5, 6:2 und 6:2-Sieg über den Polen Jerzy Janowicz nun zum ersten Mal im Achtelfinale.

„Das ist ein Riesenerfolg für mich“, jubelte Mayer, der sich mit dieser Leistung auch ein wenig selbst überrascht hatte. Aber mehr noch hatte der Bayreuther seine Kollegen erstaunt. Denn nicht nur gegen den polnischen Weltranglistenzwanzigsten, sondern bereits in der Runde zuvor gegen Michail Juschni aus Russland hatte Mayer die höllischen Temperaturen in Melbourne von über 40 Grad überstanden. „Sonst wurde ich immer belächelt“, erzählte er, „immer hieß es: ,Der Flo, der kann nicht bei Hitze spielen.’ Das tat schon gut in der Umkleide, als dann viele ,wow’ sagten und mir gratulierten.“ Die Anerkennung tat ihm gut. Mayer hatte durchgehalten, war nicht eingeknickt oder hatte irgendwie unglücklich verloren. Denn so war es öfter gelaufen in seiner Karriere. Und gerade diese Auftritte hatten dann das Bild von Mayer stark mitgeprägt. Aber Mayer wollte sich auch nie verbiegen, nichts vorgeben, das er nicht ist. Die Strahlkraft von einem wie Thomas Haas hat er eben nicht. Doch der ist mit Schulterproblemen längst wieder daheim und Mayer als letzter verbliebener Deutscher im Feld plötzlich im Fokus. „Das ist mal ganz schön“, sagte er mit einem Augenzwinkern, und inzwischen gefällt ihm diese Rolle tatsächlich.

In den vergangenen Monaten kann man Mayers inneren Wandel auch äußerlich sehen: die Haltung ist selbstbewusst, das Auftreten bestimmt und dennoch locker. Er wirkt gereift, zufrieden mit sich. Dass er für seine Erfolge wie das zweimalige Erreichen des Viertelfinals in Wimbledon oder den Durchbruch in die Top 20 von der Öffentlichkeit keine rechte Anerkennung erfuhr, hatte Mayer lange geschmerzt. Doch inzwischen hat er gemerkt, dass er selbst etwas dazu beitragen muss. „Ich wollte nicht mehr so spielen wie zu Anfang der letzten Saison“, erklärte er, „wie ich da Matches aus der Hand gegeben und mich selber zerstört habe auf dem Platz, weil ich zu negativ war.“ In Melbourne wirkt Mayer nun wie verwandelt, und darauf ist er stolz: „Ich hatte die richtige Einstellung und habe nicht gejammert – es wäre schön, wenn ich das in dieser Saison so beibehalten könnte.“ Auch gegen den Weltranglistendritten David Ferrer braucht er diese Aggressivität, will er einen Chance auf das Viertelfinale haben. „Ich weiß, dass ich ihn schlagen kann“, sagte Mayer selbstbewusst. Im Oktober, eine Woche nach seinem 30. Geburtstag, war ihm das in Schanghai schon gelungen. Es soll der Auftakt zu einem furiosen Endspurt werden: „Ich will jetzt noch mal zwei Jahre Vollgas geben und auf dem Platz die Klappe halten. Wenn man eine bessere Einstellung hat, dann geht so viel.“ Petra Philippsen

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