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Sport: „Von unten kommt zu wenig nach“

Bundestrainer Dirk Bauermann über die WM in Japan und die Zukunft des deutschen Basketballs

Fußball-Bundestrainer Jürgen Klinsmann trat nach der Weltmeisterschaftzurück, weil er sich ausgebrannt fühlte. Sie trainieren neben der Nationalmannschaftnoch den Basketball-Bundesligaklub Bamberg, wann hören Sie als Bundestrainer auf?

Es ist schon anstrengend, beides zu machen. Aber die Aufgabe als Nationaltrainerist etwas Besonderes für mich. Wenn die Jungs auflaufen, ein Deutschland-Trikottragen und die Nationalhymne ertönt, dann spüre ich eine patriotische Freude.

Ist das ein anderes Gefühl, als mit Bamberg in Moskau zu spielen?

Absolut. Man steht für sein Land und vertritt es positiv. Jeder von uns hat eine Beziehung zu diesem Land, manchmal ist sie auch kritischer, aber am Ende ist das Land ein definierendes Moment von einem selber. Es ergreift mich jedes Mal, wenn die Jungs mit den deutschen Trikots einlaufen.

Dann wird es Sie heute wieder ergreifen, wenn Deutschland in Hiroshima gegenJapan spielt. Wie stehen die Chancen Ihrer Mannschaft bei dieser Weltmeisterschaft?

Es wird schwieriger als bei der Europameisterschaft in Serbien, wo wir Silber gewonnen haben, keine Frage. Hier sind die USA, Olympiasieger Argentinien, Brasilien, Australien, das sind alles starke Basketball-Nationen. Es gibt zwar auch viele Exoten, doch wenn es darum geht, eine Medaille zu gewinnen, sind die Hürden noch höher als bei einer Europameisterschaft. Aber wir gehen optimistisch in das Turnier. Wir haben Denis Wucherer, Marko Pesic und Steven Arigbabu verloren, dafür sind Ademola Okulaja und Steffen Hamann wieder dabei. Und mit Guido Grünheid, Johannes Herber und Jan Jagla kommen Spieler nach, die der Mannschaft weiterhelfen können.

Der 25-jährige Jan Jagla soll spätestens nach 2008 eine wichtige Rolle imNationalteam einnehmen. Ist es nicht schade, dass so ein Spieler nicht in Deutschlandspielt?

Das tut dem deutschen Basketball überhaupt nicht gut. Das gilt für ihn, das gilt auch für Steffen Hamann, der nach Bologna gegangen ist. Aber man kann keinem Spieler etwas vorwerfen, wenn er aus finanziellen und sportlichen Gründen ins Ausland wechselt. Was uns in der Bundesliga im Vergleich zu allen anderen europäischen Spitzenligen fehlt, sind die Fernsehgelder. Der Pay-TV-Sender Premiere macht ein tolles Produkt, aber die Vereine haben dadurch nicht vier Millionen Euro mehr, die sie in Spieler investieren können.

Die WM-Spiele werden im DSF live übertragen, ansonsten aber überträgt dasFernsehen in Deutschland selten Basketball.

Das tut sehr weh. Es ist bei uns allen auf Unverständnis gestoßen, dass unsere Vorbereitungsspiele in Deutschland nicht im Fernsehen übertragen worden sind. Wir sind Silbermedaillengewinner bei der EM, wir sind Mannschaft des Jahres 2005, das heißt, in der Öffentlichkeit wird unsere Leistung anerkannt. Aber nicht im Fernsehen.

In Deutschland dominiert der Fußball nach der Weltmeisterschaft noch mehr…

… aber Spanien und Italien sind auch fußballbegeisterte Länder. Warum gibt es dort einen Platz für Basketball und bei uns nicht? Warum gelingt es uns nicht, einen Schritt nach vorne zu kommen, obwohl Basketball bei den jungen Leuten so gut ankommt? Darauf habe ich noch keine Antwort gefunden.

Warum haben Sie als letzten Spieler Julian Sensley, einen Amerikaner mitdeutschem Pass, aus dem Kader gestrichen?

Es war keine Entscheidung gegen ihn, sondern für die anderen zwölf Spieler. Julian Sensley hatte Heimweh, er wollte nach Hawaii zu seiner Frau und seinem neugeborenen Sohn. Das hier war ja alles neu für ihn. Obwohl alle gut Englisch sprechen, reden die Spieler manchmal nur Deutsch miteinander. Das war schwierig für ihn. Auch ist sein NBA- Traum geplatzt, er weiß nicht, wie es beruflich weitergeht. Das war in der Summe alles zu viel für ihn. Aber er spielt für die nächsten Jahre weiter eine wichtige Rolle, und er will auch weiter für Deutschland spielen.

Dass Sie auf einen Amerikaner setzen, der kein Deutsch spricht und bis vorkurzem noch nie in Deutschland war, ist das nicht auch ein Zeichen dafür, dasses an Nachwuchs in Deutschland mangelt?

Dass Julian Sensley auf seiner Position gleich so etwas wie ein Hoffnungsträger ist, ist ein Zeichen, dass von unten zu wenig nachkommt. Es gibt talentierte Jungs, die sicher in der Nationalmannschaft eine Rolle spielen können, aber ich sehe nur ganz wenige, von denen man sagen kann, die werden einmal eine hohe europäische Qualität bekommen, vielleicht werden sogar NBA-Spieler daraus. Solche Spieler gibt es in Italien, Spanien, Slowenien oder Serbien zuhauf. Wir haben kaum jemanden, das kann bei einem Volk von 80 Millionen gar nicht sein.

Liegt es vielleicht daran, dass in der Bundesliga nach der Freigabe derAusländerregelung so wenig Deutsche spielen?

Für die aktuelle Nationalmannschaft ist das kein Problem. Ob Steffen Hamann in Bamberg in der ersten Fünf spielt oder in Bologna von der Bank kommt, ist nicht so bedeutsam. Aber langfristig muss man sich schon Sorgen machen.

Die Verantwortlichen der Bundesliga sagen, dass die Freigabe der Ausländerregelungdas Niveau der Liga gehoben hat.

Ich bezweifle, dass das Niveau in der Spitze besser ist als vor fünf oder zehn Jahren. Ich glaube, dass die wirklich guten Leverkusener oder Berliner Mannschaften in der letzten Saison Meister geworden wären. Die Liga ist sicher in der Breite besser und spannender geworden. Die endlosen Meisterserien von Berlin oder Leverkusen wird es nicht mehr geben, weil das Budget nicht die alles entscheidende Rolle spielt. Das macht die Liga interessanter. Aber der Abstand zu Europa hat sich eher vergrößert.

Für die Nationalmannschaft sieht es folglich eher schlecht aus, wenn DirkNowitzki, Patrick Femerling und Ademola Okulaja nach 2008 aufhören?

Man muss den Finger in die Wunde legen, und darf nicht so tun, als ob alles super laufen würde, nur weil wir aktuell in Europa Zweiter sind und Dirk Nowitzki haben. Aber ich glaube, dass am Ende noch Spieler in die Nationalmannschaft kommen, mit denen man nicht gerechnet hat. Oder jemand entwickelt sich noch. Wir müssen uns in Europa nicht endgültig verabschieden. Aber es wird sehr schwierig werden, unter die ersten acht zu kommen, von einer Medaille ganz zu schweigen. Dann muss man erst einmal geduldig sein.

Das Interview führte Benedikt Voigt.

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