zum Hauptinhalt

Sport: Von wegen Derbyfieber - FC Bayern gegen 1860 ist schon längst kein Gassenhauer mehr

Die Marketingstrategie war gut. Nachdem im Münchner Fußball mittlerweile der FC Bayern für den großen Sport sorgt, bedient die SpVgg Unterhaching das Gemüt des Fußballfreundes, der gerne am Außenseiter hängt.

Die Marketingstrategie war gut. Nachdem im Münchner Fußball mittlerweile der FC Bayern für den großen Sport sorgt, bedient die SpVgg Unterhaching das Gemüt des Fußballfreundes, der gerne am Außenseiter hängt. Der TSV 1860 München, der über Jahrzehnte in dieser Rolle auftrat, geriet dabei fast in Vergessenheit. Doch er hat ja noch Werner Lorant, und wäre der nicht so ein polternder Querkopf, dem das Kalkül eher fremd ist, dann könnte man denken, er habe die "Löwen" gezielt wieder ins Gespräch bringen wollen.

Rechtzeitig vor dem großen Münchner Fußballspiel, das längst nichts mehr Großartiges an sich hat. Denn die viel beschäftigten Bayern haben ganz andere Prioritäten. Gerade aus Trondheim gelandet, sollten sie Derbyfieber entwickeln. Die drei Münchener Boulevardblätter hätten das so gern: Eine Zeitung veröffentlichte diese Woche die schönsten Fotos aus der Derby-Geschichte. Das Jüngste war aus dem Jahr 1970.

So einem Spiel, in dem es wie in allen anderen nur um drei Punkte geht, etwas Besonderes abzutrotzen, fällt ihnen so schwer wie nie zuvor. Schließlich ist der einzige Münchner gesperrt (Markus Babbel), der einzige Bayer ein Ersatzspieler (Michael Wiesinger) und der halbe Bayer Lothar Matthäus - er kommt aus Franken - derzeit verletzt. Auch bei den Löwen ist der letzte Bayer ein Franke - Kapitän Bernhard Winkler. Der vermutete kürzlich, dass es wohl deshalb so ruhig sei, "weil die Bayern nicht in der Stadt sind". Und dort sind sie ja meist nur auf Zwischenstation vor dem nächsten Trip in der Champions League. Ob er ans Derby denke, wurde Ottmar Hitzfeld gefragt. "Ja, jeden Tag", antwortete er, und sein Lächeln verkündete die Ironie.

Während also die einen gar keine Zeit und keinen Bedarf mehr haben, sich mit lokalen Kleingefechten zu befassen, täte es den "Löwen" schon ganz gut, wenigstens sportlich mal wieder auf sich aufmerksam zu machen. Ohnehin werden sie längst als "FC Bayern light" verulkt, da die "Löwen"-Fans ein vernünftiges Management und sportlich achtbare Erfolge gar nicht mehr kannten. Jüngst veröffentlichte 1860-Präsident Karl-Heinz Wildmoser die neueste Jahresbilanz: 48,2 Millionen Umsatz und 2,8 Millionen Gewinn. Absoluter Vereinsrekord. "Man geht in jedes Spiel rein und versucht ein gutes Ergebnis zu erzielen. Das hat mit den Bayern nichts zu tun", sagt Winkler. Auch hier kein Derbyfieber.

Aushilfstrainer Peter Pacult, der den gesperrten Werner Lorant vertritt und der bei seinen bisherigen Auftritten als vorübergehender Chef jedesmal verlor, bemüht die alten Zeiten. Als er noch Fußballer war in Wien, "da war ein Derby immer ein Höhepunkt". Das war es auch in München, als da noch die Kaufleute aus Harlaching gegen die Arbeiter aus Giesing spielten. Oder auch, als zumindest die hoch bezahlten Stars gegen die Rustikalkicker antraten. Aber heute? Elf Kleinunternehmer hier, elf Kleinunternehmer dort.

Doch auch zuletzt gab es immer nette Anekdoten um das Derby. Vor zwei Jahren holten die Bayern mal mit neun Mann einen Rückstand auf, ein halbes Jahr später prügelte sich Werner Lorant beinahe mit Mario Basler. Im letzten Jahr erzielte der gerade von den Löwen zu den Bayern gewechselte Jens Jeremies in der 60. Minute den vorentscheidenden Treffer.

Übrigens: Gestern waren noch Restkarten zu haben. So was gab es schon lange nicht mehr ...

Detlef Dresslein

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false