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Schwungvoll. Im Training vor der Saison durfte Donald Lutz bei den Cincinnati Reds mitspielen. Künftig möchte er die Uniform des MLB-Teams regelmäßig tragen. Foto: promo

© Michael E. Keating

Baseball-Spieler Donald Lutz: Vor dem Schlag ins Glück

Der 23-jährige Donald Lutz ist ganz nah dran, als erster Deutscher den Sprung in die Major League Baseball zu schaffen.

Es ist Freitagvormittag und Donald Lutz hängt ab. Abhängen gehört zum Alltag von Lutz. Seit April tingelt Deutschlands derzeit wohl größte Baseballhoffnung mit seinem Team durch die kalifornische Provinz. Sein Team, das sind die Bakersfield Blaze. Im Moment zumindest. Denn eigentlich gehört Lutz den Cincinnati Reds. Das Team aus der Major League Baseball (MLB) hat sich 2007 die Dienste des damals 17-Jährigen aus dem hessischen Friedberg gesichert. Seither geht Lutz den beschwerlichen Weg durch die Organisation der Reds. Von ganz unten bis, so hofft er, vielleicht nach ganz oben. Lutz könnte der erste Deutsche sein, der in einem MLB-Team aufläuft. „Das ist mein Ziel“, sagt er. Und er ist nah dran, so nah wie noch kein anderer Baseballspieler aus Deutschland vor ihm.

In der Saisonvorbereitung im Frühjahr durfte er mit den Stars der Reds trainieren. Seither steht er im erweiterten Kader des Teams, er könnte jederzeit den Anruf erhalten, auf den andere ihr Leben lang vergeblich warten. „Big Dog“, wie er genannt wird, bringt mit seinen mittlerweile 23 Jahren bei 191 Zentimetern Körpergröße stolze 106 Kilogramm auf die Waage. In seinen muskulösen Armen steckt jede Menge Kraft. Kraft, mit der er den kleinen Baseball scheinbar spielend leicht aus dem Stadion schlagen kann. Und diese Kraft ist es, die Donald Lutz so interessant macht.

An diesem Freitag aber ist die große Baseballwelt weit weg. Lutz ist mit den Blaze in Stockton gelandet, einem tristen Flecken kalifornischer Erde. Hier spielt er zum dritten Mal in drei Tagen gegen die heimischen Ports. Lutz hat gerade eine Bauchmuskelzerrung auskuriert, so richtig läuft es noch nicht wieder. An diesem Abend trifft er keinen Ball. Auch das gehört zum Baseballalltag. Genau wie das tägliche Training vor dem Spiel. Im Schlagkäfig dreschen die Spieler scheinbar stoisch auf den Ball ein, anschließend wird das Positionsspiel geübt. Donald Lutz spielt inzwischen im Left Field. Wenn sein Team in der Verteidigung ist, soll er lange Bälle aus der Luft abfangen. Zu Beginn der Saison stand er noch an der ersten Base und hat sich auf dieser Position ins Allstar-Team der California League gespielt. Aber jetzt wollen ihn die Trainer umschulen. Denn bei den Reds in der MLB ist Joey Votto der First Baseman und einer der Superstars der Liga. Der Kanadier hat seinen Vertrag erst vor der Saison um zehn Jahre verlängert – für ein Gehalt von über 200 Millionen Dollar. „An dem vorbeizukommen, wird schwer“, sagt Lutz. Also bleibt nur eine neue Position.

Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit, und deswegen ist der sonst so gelassene Donald Lutz derzeit ein bisschen nervös. Noch bis zum 31. Juli ist das Transferfenster in der MLB geöffnet. Es ist normal, dass sich Teams, die um die Play-offs kämpfen, noch einmal verstärken. Und die Reds stehen in ihrer Division ganz weit vorn. Beliebtes Tauschobjekt sind dabei die eigenen Talente. Man gibt mehrere von ihnen ab, um dafür einen Star zu verpflichten. Deshalb lässt sich Lutz jetzt von einem Agenten beraten, obwohl er weiß: „Ich kann das sowieso nicht beeinflussen. Ein Trade kann von einem Tag auf den anderen passieren.“

Vor sieben Jahren in Friedberg, da waren solche Überlegungen noch weit weg. Damals schaute er seinem Bruder Sascha beim Baseballspielen zu und probierte es irgendwann einfach selbst. Zuvor hatte er sich als Eishockey- und Handballspieler versucht – mit mäßigem Erfolg. Im Baseball aber war sein Talent offensichtlich. Der in Watertown, New York, geborene Sohn eines US-Amerikaners und einer Deutschen landete schnell auf dem Sportinternat in Regensburg. Wenig später entdeckten ihn die Talentscouts der Reds bei einem Sichtungslehrgang für europäische Nachwuchsspieler in Italien. 2008 begann er sein Abenteuer in den USA.

Zunächst war Lutz noch ein schüchterner Bursche, der sich kaum traute, sein Essen selbst zu bestellen. Inzwischen ist er viel entspannter. In den fünf Jahren in den Minor Leagues, wie die Spielklassen unterhalb der MLB heißen, ist Lutz viel herumgekommen. Seine ersten Schlagversuche machte er in Goodyear, Arizona. 2010 schaffte er den Sprung in die nächsthöhere Liga und spielte in Billings, Montana. Wieder ein Jahr später war Lutz in Dayton, Ohio. Hier machte er mit einer herausragenden Saison erstmals richtig auf sich aufmerksam. Und nun also Bakersfield, Kalifornien. Mehr als 60 Spiele hat er in diesem Jahr bereits bestritten, bis zum Saisonende im September werden es rund doppelt so viele sein. Meist vor wenigen hundert Zuschauern. Nur am „Thirsty Thursday“ kommen in Bakersfield ein paar mehr, „weil das Bier dann nur einen Dollar kostet“, wie Lutz lachend berichtet. Heimweh kennt er nicht, zumindest nicht mehr. Am Anfang, ja, da sei es „schon schwierig gewesen“. Doch er hat sich mit der Situation längst arrangiert. Für ihn gibt es nur Baseball. Tagein, tagaus. Sechs Monate lang. Mit seinen Freunden in Deutschland bleibt bei neun Stunden Zeitunterschied oft nur die Kommunikation über das Internet. Genauso wie mit seiner Mutter, die ihn immer wieder daran erinnert, dass er sein Talent von ihr geerbt hat.

Längst kann er von seinem Sport leben. Wenn es alle zwei Wochen den Gehaltsscheck gibt, darf sich Lutz über eine hübsche Dollarsumme freuen – auch wenn es bis zur ersten Million noch ein weiter Weg ist. Mit seinen Mitspielern kommt er klar, obwohl er der einzige Europäer in Bakersfield ist. Lutz kennt die Regeln. In diesem Geschäft sind sie knallhart. Wer nicht gut genug ist, muss gehen. Und wer sich danebenbenimmt, egal, ob auf oder neben dem Platz, fliegt sowieso aus der Mannschaft. Aber Donald Lutz beruhigt: „Ich halte mich raus, wenn es Ärger gibt.“ Er will seine Karriere nicht gefährden, nicht jetzt. Und er will nicht darüber nachdenken, was wird, wenn er es doch nicht packen sollte. Nein, nicht jetzt, wo er so dicht vor dem Durchbruch steht.

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