zum Hauptinhalt
Alle mal herhören! Jos Luhukay (links) hat mal wieder ein paar grundsätzliche Anmerkungen zur Arbeitsauffassung seiner Spieler.

© City-Press

Vor dem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach: Hertha BSC: Jos Luhukay kritisiert seine Mannschaft

Herthas Trainer Jos Luhukay nimmt sich im Training seine Spieler zur Brust. Vor dem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach fordert er wieder mehr Schärfe und Aggressivität.

Ronny begnügte sich mit einem Schätzwert. Bei 16 hörte er einfach auf. 25 Liegestütze hatte Jos Luhukay, der Trainer von Hertha BSC, den Verlierern der Trainingsspiele auf den beiden Kleinfeldern verordnet. Ronny fing ein bisschen später an als seine Kollegen. Und hörte ein bisschen früher auf. So blieb sein kleiner Betrug unentdeckt. Vermutlich hätte sein Trainer sonst endgültig die Contenance verloren.

Jos Luhukay war auch so schon ausreichend in Rage. Nach den ersten Spielen fünf gegen fünf übers halbe Feld versammelte er seine Mannschaft um sich und bedachte sie mit einer Grundsatzrede. „Das ist alles pomadig“, klagte er. Die Worte des Trainers waren auch in gebührendem Abstand gut zu verstehen. Aber das hat Luhukay noch nie gestört. Der Holländer ist kein Mann für die Galerie, aber dass die Galerie in bestimmten Momenten mitbekommt, was er denkt und was ihn bewegt – das nimmt Luhukay zumindest billigend in Kauf. Offensichtlich ist gerade wieder so ein Moment gekommen, an dem es Herthas Trainer für geboten erachtet, seine Unzufriedenheit unmissverständlich zu Protokoll zu geben. Gerne auch für die Öffentlichkeit

Mehr Aggressivität, mehr Schärfe fordert Luhukay. „Wir gehen nicht bis zum letzten Schritt. Es fehlt die letzte innere Bereitschaft“, klagt er. „Wir sind schnell zufrieden.“ Damit ist das Übel bei Hertha im Jahr 2014 ziemlich treffend benannt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Luhukay seinen Spielern im Training ein Grundsatzreferat widmet. Die Brandreden ans eigene Team sind bei Hertha fast schon Teil der Folklore. Aber mit Folklore haben sie wenig zu tun. Luhukay besitzt im Gegenteil ein gesundes Gespür dafür, wann seine Mannschaft ins Ungefähre abdriftet – und wann sie eine entsprechende Erinnerung braucht, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das scheint gerade wieder der Fall zu sein.

Die Mannschaft ist an einem kritischen Punkt angelangt. Die ganz großen Ziele haben sich für diese Saison erledigt: Der Klassenerhalt ist nur noch Formsache, die Qualifikation für den Europapokal von Luhukay nach der 0:3-Niederlage gegen Hannover am Wochenende als Träumerei abgetan worden. Da ist die Versuchung, die letzten neun Spiele, ein wenig lockerer anzugehen, nur menschlich. Hertha ist auf dem besten Wege, den guten Eindruck aus der Vorrunde wieder zu verspielen. Doch genau das will Luhukay verhindern.

Die Berliner wirken ein wenig müde im Moment, die Leichtigkeit der Hinserie fehlt. Seit dem Winter ist die Mannschaft in der Tabelle der Fußball-Bundesliga von Platz sechs auf Platz neun zurückgefallen; ganze acht Punkte holte sie in den acht Rückrundenspielen, obwohl sie bis auf Mainz und Wolfsburg nur gegen Abstiegskandidaten gespielt hat.

Für Luhukay ist das kein Zufall. Die Leistungen in den Spielen sind ein Abbild dessen, was er täglich im Training sieht. Und das vermag ihn derzeit nicht zu überzeugen. „Wenn wir nur mit 60 Prozent trainieren, merkt man das auch am Wochenende“, sagt er am Mittwochvormittag. „Wir sind nicht auf Augenhöhe mit Augsburg, nicht auf Augenhöhe mit Mainz.“ Und erst recht nicht mit den kommenden drei Gegnern, mit denen es Hertha jetzt innerhalb von sieben Tagen zu tun bekommt.

Am Samstag treten sie bei Borussia Mönchengladbach (Siebter) an, die am Wochenende ihre Misserfolgsserie mit einem beachtenswerten Sieg in Dortmund beendet hat; am Dienstag gastiert der alte und neue Meister Bayern München im Olympiastadion, ehe Hertha am Freitag beim FC Schalke (Vierter) spielt. „Das sind mit die schönsten Spiele der Saison“, sagt Luhukay. „Aber wir wissen auch, wie realistisch die Chance ist zu punkten. Es kann sein, dass man mit nichts rausgeht.“

Dass die Erwartungen in diesen drei Spielen nicht allzu hoch sind, könnte den Berlinern entgegenkommen. Der umgekehrte Fall hat sie zuletzt jedenfalls eher behindert als beflügelt. Und in der Hinrunde hat Hertha gegen Gladbach immerhin gewonnen, gegen Bayern und Schalke zumindest mitgehalten. Deren aktive Herangehensweise an das Spiel liegt den Berlinern eher als ultradefensive Gegner, die Hertha erstmal machen lassen. „In den nächsten drei Spielen werden die Gegner höchstwahrscheinlich mehr Ballbesitz haben als wir“, sagt Luhukay, „dadurch werden wir ein bisschen mehr Raum bekommen.“ Man muss ihn aber auch nutzen wollen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false