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Sport: Vor den Kopf gestoßen

Die Fans des 1. FC Union sind sauer – Trainer Mirko Votava leidet unter der Popularität seines Vorgängers

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin. Vor geraumer Zeit, es muss fast ein dreiviertel Jahr her sein, hat Mirko Votava mal ein Papier in die Hand gedrückt bekommen. Auf dem DIN-A-4-Bogen wurden ihm von seinem Arbeitgeber ein paar Ratschläge erteilt, wie er den Umgang mit der Öffentlichkeit besser gestalten könne. Zu reserviert, mitunter gar etwas misstrauisch hatte sich der Trainer des Fußball-Zweitligisten 1. FC Union – nach Meinung seiner Vorgesetzten – zuvor verhalten. Das kam in einem Verein, der sich einer besonderen Nähe zu seinen Fans rühmt, schlecht an. Votava taute danach zwar allmählich auf, gab sich unverkrampft, auch mal humorvoll, aber im Draht zu den Fans knistert und knackt es bis heute. Das gipfelt darin, dass einige Union-Anhänger nun die Ablösung des Trainers fordern.

Ihre Argumente wirken recht stichhaltig. Union ist Letzter, hat von sechs Saisonspielen erst eines gewonnen. Votavas Gesamtbilanz seit seiner Einstellung am 6. November 2002: 29 Punktspiele, acht Siege, elf Unentschieden, zehn Niederlagen. Das nächste, sein 30. Spiel, könnte das letzte für ihn bei Union sein. Verlieren die Köpenicker am Freitag in Unterhaching, wird der Trainer unweigerlich abgelöst. Der gerne aufgestellten Behauptung, Union könne sich einen neuen Trainer gar nicht leisten, tritt Präsident Heiner Bertram entschieden entgegen: „Bei uns im Verein gibt es für alles Mögliche finanzielle Gründe, nicht aber für diesen Fall.“

So ganz einsichtig ist es nicht, warum Mirko Votava bei den Fans einfach nicht ankommt. Er ist doch viel mehr ein Mann der Basis als etwa sein Vorgänger Georgi Wassilew. Dessen Trainingsarbeit war gekennzeichnet durch eine große räumliche Distanz zu den Übenden. Die mangels Kenntnis der deutschen Sprache meist geradebrecht vorgetragenen Anweisungen des Bulgaren ans Personal beschränkten sich auf ein Minimum. Votava hingegen mischt sich ein ins Training, er schreit, er unterbricht, er erklärt, nimmt auch mal einen Spieler für ein Einzelgespräch beiseite, bei manchen Spielformen grätscht er auch noch selbst nach dem Ball: Votava ist immer präsent, immer da für die Mannschaft. Die Spieler wissen das zu schätzen. „Es liegt an uns“, sagt Kapitän Steffen Baumgart zu der Misere.

Die Umgangsformen im alltäglichen Miteinander am Arbeitsplatz zählen im Fußball aber nun mal weitaus weniger als der in Punkten messbare Erfolg. Wassilew hatte zunächst einen Mitleidsbonus bei den Fans, nachdem Union äußerst unglücklich am Aufstieg gescheitert war: erst in Osnabrück im Elfmeterschießen, dann in Ahlen. Danach glückte unter Wassilew der Sprung in die Zweite Liga, das DFB-Pokalfinale wurde erreicht, Union tauchte zwei Runden lang im Uefa-Cup ins europäische Fußballgeschäft ein, Platz sechs im ersten Zweitligajahr galt auch als Achtungserfolg.

Wassilews Ecken und Kanten, seine ganz offenkundigen Schwächen blieben bei so viel Glanz im Verborgenen. Perspektivisch arbeiten, auch mal junge, unfertige Spieler heranziehen, das könne Wassilew nicht, hat Bertram ihm zu Recht vorgeworfen. Deshalb sprach, als Wassilews Zeit bei Union abgelaufen war, auch vieles für Mirko Votava. Der war als Scout für Werder Bremen unterwegs, kannte zwar nicht Hinz und Kunz, aber eben viele talentierte Fußballer. Daraus wollte Union Nutzen ziehen.

„Er hat mir als Spieler imponiert, mich haben seine Charakterfestigkeit und Fußballerfahrung, national und international, überzeugt“, sagt Bertram rückblickend auf diese Verpflichtung. Dem Präsidenten wurde schon zum Vorwurf gemacht, wie er einem Mann, der so wenig Erfahrung als Trainer habe, gleich einen Vertrag bis 2005 aushändigen konnte. Angeblich, so ist zu hören, soll die Vertragsdauer Teil eines Kompromisses sein. Votava soll im Gegenzug Abstriche bei seinen Gehaltswünschen gemacht haben.

Klar, Votava hat Fehler gemacht. Seine Torwartrotation zwischen Wulnikowski und Beuckert war ein Fehlschlag, manch andere Personalentscheidung strittig. Aber er hat seine Fehler stets rechtzeitig eingesehen und sie, wenn erforderlich, korrigiert. Votava hat mal gesagt: „Stück für Stück werde ich mir die Anerkennung erarbeiten.“ Ob ihm der 1. FC Union dazu noch Zeit lässt?

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