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Total becanuckt. Die Fans der Vancouver Canucks kennen seit dem Finaleinzug ihrer Mannschaft kein Halten mehr.

© REUTERS

Vor der NHL-Finalserie: Kanada feiert schon

Ganz Kanada drückt Vancouver im NHL-Finale gegen Boston die Daumen - und freut sich schon vor Spiel eins am Donnerstag über die Rückkehr der besten Eishockey-Liga der Welt nach Winnipeg. Mittendrin in der kollektiven Euphorie: Zwei Deutsche.

Premierminister Stephen Harper sprach von "einem historischen Tag für Kanadas Nationalsport" - und meinte damit nicht die bevorstehende Endspielserie in der NHL zwischen den Vancouver Canucks und den Boston Bruins. Die Freude gilt der Rückkehr der Nordamerikanischen Eishockey-Liga nach Winnipeg. Hier spielten bis 1996 die Jets, ehe die Franchise aus wirtschaftlichen Gründen nach Phoenix umgesiedelt wurde. Nun kommt die NHL zurück in die zentralkanadische Provinz Manitoba.

Grund ist die Krise der Atlanta Thrashers, die weder sportlich noch finanziell in den zwölf Jahren ihres Bestehens Fuß fassen konnten. Nur einmal überhaupt erreichte das Team die Playoffs, zuletzt war die Arena oft nur noch zur Hälfte gefüllt. Gerüchte gab es schon länger, nun bestätigte es auch die NHL: Ein neuer Investor übernimmt die Thrashers und wird mit dem Team nach Winnipeg wechseln. Noch müssen die NHL-Eigentümer den Umzug offiziell absegnen. Doch das gilt als Formsache.

Die Freude der rund 600.000 Bewohner Winnipegs kannte nach der Verkündung am Dienstag kaum Grenzen. Aber momentan ist in Kanada sowieso nichts normal. Mit den Vancouver Canucks hat wieder mal ein kanadisches Team das Finale um den Stanley Cup erreicht. Dort trifft die Mannschaft des deutschen Nationalspielers Christian Ehrhoff ab der heutigen Nacht (2 Uhr, live bei ESPN America) auf die Boston Bruins mit Dennis Seidenberg.

Kanada hofft auf ersten Titel seit 1993

Nach dem letzten Halbfinalspiel gegen San Jose strömten die Menschen in Vancouver auf die Straßen und machten in den unzähligen Sportbars die Nacht zum Tag. Selbst in Montreal oder Toronto, wo die Fans den Canucks sonst weniger wohlwollend gegenüberstehen, freuten sich die Leute über den Finaleinzug einer kanadischen Mannschaft. Nach dem frühen Ausscheiden aller anderen kanadischen Teams sind die Canucks nun zu Kanadas Team geworden. Selbst auf dem Dach der kanadischen Botschaft am Potsdamer Platz weht derzeit Tage die Fahne der Canucks. "Die Stimmung ist schon mehr als euphorisch", sagt Lyle Richardson. Richardson ist einer der renommiertesten Eishockey-Journalisten in Kanada und arbeitet unter anderem als Kolumnist für Fox Sports.

Eishockey ist in Kanada Nationalsport, doch im Gegensatz zur Nationalmannschaft haben die Klubs schon lange nichts mehr gewonnen. 1993 holte mit den Montreal Canadiens zuletzt ein kanadisches Team den Stanley Cup. Später erreichten zwar noch Vancouver (1994), Calgary (2004), Edmonton (2006) und Ottawa (2007) die Endspielserie, alle vier Mannschaften scheiterten aber an Teams aus den USA. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Richardson macht vor allem finanzielle Aspekte für die lange Negativserie der Kanadier verantwortlich. "Der kanadische Dollar war in den vergangenen Jahren deutlich schwächer als der amerikanische. Die Spieler werden aber in US-Dollar bezahlt", sagt Richardson. Wenn es darum ging, die besten Spieler zu verpflichten, mussten die Mannschaften aus Kanada der amerikanischen Konkurrenz meist den Vortritt lassen. Das alles hat bei vielen Fans Narben hinterlassen. "Vor allem, dass mit Tampa Bay, Carolina oder Anaheim in den vergangenen Jahren amerikanische Teams gewonnen haben, die über verhältnismäßig wenig Tradition verfügen, schmerzt viele Kanadier zusätzlich", sagt Richardson.

Ehrhoff und Seidenberg sind echte Leistungsträger

Vancouver soll die Wunden der Vergangenheit nun heilen. Dass die Canucks bisher eine so überragende Saison spielen, liegt auch an Verteidiger Christian Ehrhoff, der in den Play-offs bisher zwei Tore und neun Assists verbuchen konnte. Nun trifft Ehrhoff mit Vancouver auf die Boston Bruins, bei denen sein Nationalmannschaftskollege Dennis Seidenberg ähnlich stark auftrumpft.

Egal wie das Endspiel ausgeht, es wird in jedem Fall einen deutschen Stanley-Cup-Sieger geben. Bisher gewann Uwe Krupp 1996 mit Colorado als einziger Deutscher den Pokal. In dieser Saison hat Ehrhoff Uwe Krupp in fast allen relevanten Statistiken überholt. Nur das entscheidende Tor zur Meisterschaft, so wie Uwe Krupp 1996 gegen Florida, hat Christian Ehrhoff bisher noch nicht erzielt.

Mit seiner Mannschaft geht er als Favorit in die Finalserie, der Titel scheint zum Greifen nah. Das Team von Trainer Alain Vigneault erreichte mit 117 Punkten in der regulären Saison die beste Bilanz aller Mannschaften und genießt in den Finalspielen Heimrecht. "Wenn es Vancouver in diesem Jahr nicht schafft, wäre die Enttäuschung in Kanada so groß wie bei allen Niederlagen davor zusammen", sagt Richardson. "Die Chance auf den Titel war schon lange nicht mehr so groß." Immerhin bliebe den Kanadiern aber zumindest der Trost, in der neuen Saison mit sieben Mannschaften gegen die Vorherrschaft der US-amerikanischen Teams ankämpfen zu können.

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