zum Hauptinhalt
Zu Silber abgehoben. Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy sicherten sich durch ein gewagtes Schlussmanöver Platz zwei. Foto: AFP

© AFP

Sport: Vorolympisches Wetterleuchten

Sawtschenko/Szolkowy zeigen mit der Kür, dass sie den Traum von Gold in Sotschi nicht aufgegeben haben.

Es schien ein trüber Tag für die viermaligen Paarlauf-Weltmeister Sawtschenko/Szolkowy zu werden. Die Titelverteidiger wirkten bei der WM im kanadischen London seltsam untertourig und untersteuert, als es galt, in der Kür noch einmal zu attackieren und den Satz von Platz drei auf Rang eins zu wagen. Stattdessen das: Aljona Sawtschenko sprang den Toeloop und Salchow statt dreifach nur doppelt; Robin Szolkowy lag ihr nach dem gestürzten Salchow zu Füßen. Platz eins war also längst in weite Ferne gerückt, Platz zwei schien auch schon weg und vergeben an die zuvor fast fehlerfrei gebliebenen Kanadier Duhamel/Radford. Und dann kam doch noch der große, unangekündigte Moment, der aus Grau Himmelblau machte: Sawtschenko, von Szolkowy auf ihre Umlaufbahn geschleudert, hob ab, drehte sich dreieinhalb Mal um die eigene Achse und vollendete einen Dreifachwurfaxel, das Nonplusultra und die Höchstschwierigkeit im Paarlauf. „Dass sie das gebracht haben, geht in die Geschichtsbücher ein“, jubilierte Ingo Steuer, der Trainer des Paars. An einen Dreifachwurfaxel zum Ende einer viereinhalbminütigen Kür hat sich noch kein Paar der Welt herangewagt – wie überhaupt derzeit nur Sawtschenko/Szolkowy diesen waghalsigen Sprung im Repertoire haben.

Er war eigentlich gar nicht für diese, sondern erst für die olympische Saison geplant, an deren Ende der Gewinn der Goldmedaille zum Abschluss der Eiskunstlauf-Karriere stehen soll. Sawtschenko und Szolkowy riskierten den Coup schon früher, weil sie damit zeigen wollten, dass niemand ihre derzeit wacklige Form als neue Konstante missverstehen solle. Dass die vor einem Jahr mit der Kür zur Ballettmusik „Pina“ und vor zwei Jahren mit ihrem „Pink Panther“-Programm stilprägenden Deutschen in dieser Saison dem eigenen hohen Anspruch hinterherlaufen, liegt vor allem daran, dass Sawtschenko von Oktober bis Dezember an einer fiebrigen Erkältung litt, die kein geregeltes Training und schon gar keinen Wettkampf zuließ.

Erst zum vierten Mal in diesem Winter stellten sich die gebürtige Ukrainerin und ihr thüringischer Partner bei der WM der Konkurrenz. Das reichte, um die nach der Kurzkür auf Platz zwei liegenden Duhamel/Radford noch abzufangen. Es langte aber bei weitem nicht, die im Jahr vor den Spielen in Sotschi unbesiegten Russen Wolososchar/Trankow aufzuhalten. Mit der Weltrekordpunktzahl von 225,71 waren die beiden Moskauer den Titelverteidigern schließlich um mehr als 20 Punkte enteilt (205,56). Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy störte es diesmal nicht. „Wir haben die WM ja schon viermal gewonnen“, sagte die ehemalige Weltmeisterin, „wir müssen jetzt nicht alles zeigen, sonst wäre es ja langweilig.“

Auch Wolososchar/Trankow, die der einstigen Paarlauf-Vormacht Russland nach sieben titellosen Jahren mal wieder den Platz oben auf dem Treppchen verschafften, begingen nicht den Fehler, ein grandioses Tagesergebnis olympisch hochzurechnen. „Kein Wettkampf ähnelt dem anderen“, sagte Maxim Trankow, „Aljona und Robin sind ein sehr starkes Paar, sie haben außergewöhnliche Würfe im Programm, sie wissen, wie man kämpft. Gegen sie zu laufen, ist für uns die größte Motivation.“ Umgekehrt auch, da die beiden eine Zeit lang einsam über allen anderen Paaren thronenden Deutschen spätestens seit dieser Woche wissen, was sie in Sotschi zur Erfüllung ihres Traums tun müssen, um endlich Olympiasieger zu werden. Den alten Zauber einmal noch zu verströmen – das soll das Ergebnis der Arbeit an zwei neuen Programmen sein.

Der Dreifachwurfaxel, den zu wagen das Paar erst nach dem Aufwärmen vor der Kür entschieden hatte, dürfte als vorolympisches Wetterleuchten zu verstehen sein: Mit Sawtschenko/Szolkowy ist weiter zu rechnen, wenn die ganz großen Preise vergeben werden. „Wir fahren mit einem Lächeln nach Hause“, lautete das Schlusswort von Robin Szolkowy. In London haben Sawtschenko/Szolkowy hoch gepokert und zumindest den Trostpreis in Silber gewonnen; in Sotschi aber müssen alle Karten auf den Tisch. Wolososchar/Trankow sind für den Showdown nach jetzigem Stand bestens gerüstet. Das deutsche Paar lässt sich davon nicht beeindrucken und fühlt sich noch immer stark genug, kontern zu können. Ein dreifacher Wurfaxel wird am Ende zu wenig sein, um mit goldenen Perspektiven nach Sotschi zu reisen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false