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Sport: Wecker wird Fünfter vor Belenki

Die Rechnung war einfach. Vielleicht zu einfach.

Die Rechnung war einfach. Vielleicht zu einfach. Zwei deutsche Turner hatten sich bei der Weltmeisterschaft in Tianjin (China) für das Pauschenpferd-Finale qualifiziert, aber keiner kam durch bis in die Medaillenränge. Der Berliner Andreas Wecker wurde Fünfter und zeigte sich damit zufrieden. Titelverteidiger Waleri Belenki (Stuttgart) erreichte nur den sechsten Platz und fühlte sich von den Kampfrichtern betrogen. "Aus meiner Sicht ist das kein Sport mehr", schimpfte der Routinier, "ich glaube so langsam, hier steht schon vorher fest, wer die Plätze eins bis drei belegt." Dann schlich der in Aserbeidschan geborene Turner in die Aufwärmhalle und wollte nur noch allein sein.

Damit reist die Abordnung des Deutschen Turnerbundes (DTB) vermutlich ohne Medaille von dieser Weltmeisterschaft ab. Dem Hallenser René Tschernitschek, der als Ersatzmann ins heute stattfindende Pferdsprung-Finale gerutscht war, werden keine Medaillenchancen zugetraut.

Das Pauschenpferd genießt unter den Turnern einen zweifelhaften Ruf: In einem filigranen Wechselspiel von Schwung, Kraft und Gleichgewichtsgefühl kann schon die geringste Unachtsamkeit zu einem Absteiger führen. Manchmal auch nur ein falscher Gedanke. Kein Wunder, dass die acht Finalisten von Tianjin fast ausnahmslos international erfahrene Athleten waren, von denen kein einziger einen größeren Fehler machte.

Das Finale selbst, das reinste Nervenspiel: Vorher darf jeder noch einmal kurz das Pferd mit den zwei griffartigen Pauschen testen, dann geht es los. Waleri Belenki musste als Zweiter ans Gerät, turnte fehlerfrei und bekam von den Kampfrichtern doch nur 9,70 Punkte - damit war die erhoffte Medaille schon so gut wie sicher weg. Und tatsächlich stieg das Wertungsniveau fortan. "Wenn man die Übungen vergleicht, habe ich einfach mehr drin", sagte Belenki. Am Ende lag sogar Andreas Wecker vor dem Stuttgarter. Wecker geht nach Tianjin zuversichtlich ins Olympiajahr. "Das war das Maximale, was möglich war", sagte er.

Der deutsche Cheftrainer Rainer Hanschke, der den frustrierten Belenki erst einmal in den Arm nehmen musste, analysierte nach den aufregenden Minuten erstaunlich sachlich. "Die Pferd-Übung von Belenki war von vornherein die einzige Möglichkeit, an eine Medaille ranzukommen", sagte er, "eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass er zumindest Dritter wird." Während die beiden Deutschen um das Pferd flankten, hatte Hanschke noch nervös mit dem Oberkörper "mitgeturnt" - aber helfen konnte er ihnen damit nicht.

Dass schließlich der Russe Alexej Nemow mit einer "Kindergarten-Übung" (Belenki) von den Kampfrichtern zum "Kreisflanken-Gott" befördert wurde, stieß nicht nur dem Titelverteidiger sauer auf. "Mit Nemow konnte keiner rechnen", kommentierte Hanschke mit süß-saurer Miene.

Jürgen Roos

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