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Sport: Wehret den Anfängen

Die Bayern sind besorgt – nur keine neue Blamage in der Champions League

München. Manchmal, wenn alles zu viel wird und das Gemüt in ihm turnt, ergreifen die Emotionen Besitz von Oliver Kahn; er tanzt dann mit Eckfahnen oder knabbert an Gegenspielern – das ist der eine Kahn. Am Montag gab es den anderen, den ruhigen. Der hat immer dann zu tun, wenn der Torwart eine wichtige Botschaft zu vermitteln hat. Das Spiel der Bayern müsse sich ändern, und zwar umgehend, forderte Kahn, sonst werde es wieder ein böses Erwachen geben. „Es wird taktisch undisziplinierter Fußball gespielt, das ist unser Problem“, fasste Kahn seine Erkenntnisse nach der jüngsten Niederlage zusammen, „wir sind in Wolfsburg wie die aufgescheuchten Rehe herumgerannt, ohne Sinn und Verstand.“ Drei Tage blieben zur Rückgewinnung der Geistes- und Leibeskraft, heute Abend (20.45 Uhr, live auf Sat1) setzt sich für die Bayern nach schmerzvoller Zeit der Abstinenz gegen Celtic Glasgow die Geschichte der Champions League fort. Es muss alles vermieden werden, damit es erneut ein kurzes Kapitel wird. Niemand wird sagen dürfen, Kahn habe nicht gewarnt.

Der Nationaltorwart hat den Zeitpunkt wohl gewählt, in dem er seine Kollegen zu erhöhter Konzentration ermahnte. Kaum einer wird sich so gut und so ungern an den letztjährigen Champions-League-Auftakt erinnern wie Kahn. Drei Gegentore kassierte er damals im eigenen Stadion, das 2:3 gegen La Coruña war der frühe Hinweis auf die mangelnde internationale Reife der neu formierten Bayern-Mannschaft, die in ihrer Vorrundengruppe den letzten Platz belegte.

Sie haben danach ihre Hausaufgaben sorgfältig erledigt, sind souverän Meister geworden, haben den Kader punktuell veredelt. Doch jetzt, da alles aufwändig neu angerichtet ist, droht neues Ungemach. Neben der angespannten Personalsituation traten die Münchner zuletzt nicht so souverän auf, wie das zu erwarten ist von einer Mannschaft, die „vom Personal her natürlich die Champions League gewinnen kann“ (Kahn). In Wolfsburg ließen die Bayern zum wiederholten Male in dieser Saison drei Tore zu, mit sieben Gegentreffern ist die Abwehr nach fünf Spielen schon halb so oft bezwungen worden wie in der gesamten Hinrunde der Vorsaison. In Wolfsburg war die Defensivschwäche eine geschlossene Mannschaftsleistung; Kahn und Thomas Linke patzten, doch die Abwehr hatte auch unverhältnismäßig viel zu tun, weil das vorgeschaltete Abfangbollwerk seinen Dienst versagte. „Wir brauchen eine ordnende Hand im defensiven Mittelfeldbereich, die die taktischen Vorgaben einhält“, monierte Kahn, ehe er Owen Hargreaves direkt ansprach, der mit dieser Position zuletzt überfordert war: „Der Owen ist sehr engagiert, läuft viel. Aber in erster Linie ist Stabilität gefordert. Da sieht man, wie wichtig Jens Jeremies für uns ist.“

Der aber fehlt, genau wie Sebastian Deisler und vielleicht Willy Sagnol sowie Ze Roberto. Immerhin kehren die zuletzt mit lästigen Blessuren beschäftigten Ballack, Pizarro und Lizarazu in den Kader zurück. Das wird auch notwendig sein gegen den Uefa-Cup-Finalisten der Vorsaison, der ähnlich der schottischen Nationalmannschaft einen funktionierenden Mix aus gepflegtem Fußball und schonungsloser Robustheit praktiziert.

Der Blick der Bayern ist nach vorn gerichtet, ein neuerliches Stolpern in der Vorrunde würde in der Zukunftsplanung in etwa denselben Schaden hinterlassen wie eine Abrissbirne, die durch den Rohbau des neuen Stadions tobt. Kahn fordert, „man sollte sich darauf besinnen, wie der FC Bayern in der Vergangenheit Erfolg hatte“, das heißt: mit beharrlicher Defensivstrategie den Zuschauer langweilen und den Gegner zermürben, um dann, bei den wenigen sich bietenden Torchancen, eiskalt zuzuschlagen. Dafür haben die Münchner Roy Makaay gekauft. Der Holländer ist heute erstmals ernsthaft gefordert – und er ist der Einzige, der sich an Bayerns Champions-League-Auftakt 2002 erinnern darf. Drei Tore hat er da geschossen.

Daniel Pontzen

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