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© dpa

Weltcup in Oberhof: Deutschlands Biathlon-Staffel: Das Zittern besiegt

Nach einer bisher schwachen Saison werden die deutschen Biathleten Dritter beim Staffelrennen in Oberhof.

Simon Schempp riss schon kurz den Arm hoch, bevor er die Ziellinie überquerte. Er wusste, er hatte es geschafft. Der Österreicher Christoph Sumann hatte die Aufholjagd verloren, Schempp den dritten Platz für die deutsche Staffel mit Michael Greis, Christoph Stephan und Arnd Peiffer beim Biathlon-Weltcup in Oberhof ins Ziel gerettet. Norwegen siegte mit fast einer halben Minute Vorsprung vor Frankreich.

Schempp warf sich im Zielraum auf den Boden, er war völlig erschöpft. Der 21-Jährige, der erst in den letzten Rennen der Saison 2008/09 sein Weltcup- Debüt gegeben hatte, hatte dem großen Druck standgehalten. Wieder einmal. Auch beim dritten Platz der deutschen Staffel in Hochfilzen vor Weihnachten war der Jüngste im Team der abgeklärte Schlussläufer gewesen – und nicht der 33-jährige Greis. Norwegens Star Ole Einar Björndalen stand und lag gestern am Schießstand neben Schempp, schoss schnell und setzte sich nach einmaligem Nachladen von den Verfolgern ab. Schempp ließ sich davon nicht irritieren – er blieb ohne Fehlschuss. „Ich war nervös und bin die erste Runde zu schnell angegangen, weil ich schnell aufschließen wollte“, sagte Schempp. „Die letzte Runde war hart“, die Kräfte schwanden. Doch er biss sich durch und Bundestrainer Frank Ullrich lobte ihn überschwänglich: „Das hat Simon sensationell gemacht.“

Der starke Staffelauftritt ließ vorübergehend vergessen, dass es fünf Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele in Vancouver in den Einzelrennen noch nicht läuft wie erhofft. Arnd Peiffer ist als Zehnter des Gesamtweltcups Bester seines Teams. Der 22-Jährige stürmte vor einem Jahr in Oberhof bei seinem Weltcup-Debüt auf Platz sieben und hat sich längst etabliert. Michael Greis, dreifacher Olympiasieger von 2006, ist nur auf Platz 13 zu finden, Alexander Wolf läuft der Olympianorm hinterher, Michael Rösch, 2009 WM-Dritter mit der Staffel, wurde in den zweitklassigen IBU-Cup verbannt. Er ist zu schlecht für den Weltcup. Die Deutschen überzeugen in den Einzelrennen nur punktuell: Daniel Stephan lief einmal auf Platz vier, Greis und Peiffer wurden beide je einmal Fünfter, Andreas Birnbacher Sechster. Nur vier weitere Male schafften die Deutschen es unter die Top Ten. Eine Platzierung unter den besten drei fehlt in den Einzelrennen dieses Winters ganz.

Weil die Routiniers schwächeln, rücken Simon Schempp, 21, Arnd Peiffer, 22, und Christoph Stephan, 23, in den Blickpunkt. Es war typisch, dass sich gestern ausgerechnet Greis die meisten Nachlader leistete: vier von neun. „Das waren zwei bis drei zu viel“, gab er später zu. Startläufer Stephan (drei Nachlader) war als Dritter ins Ziel gekommen, Greis fiel auf den vierten Rang zurück. Peiffer (zwei Nachlader) war in der Loipe nur drei Sekunden langsamer als Björndalen und erkämpfte den dritten Rang zurück, Schempp sicherte mit der fehlerlosen Schießleistung den Platz auf dem Podium.

Frank Ullrichs Assistent Mark Kirchner nennt Selbstzweifel der Sportler und den Druck durch ständige Fragen nach der Olympianorm als Gründe für die Probleme. Das fehlende Selbstvertrauen führte vor Weihnachten zu zitternden Händen am Schießstand, wo die Deutschen obendrein nicht die Schnellsten sind. Keiner vermag so zu schießen wie der österreichische Schnellschütze Simon Eder. Björndalen macht es ihm mittlerweile nach, doch nicht jeder kann sich so problemlos umstellen. „Wenn ein Athlet am Schießstand 35 Sekunden braucht, kann man ihn nicht in zwei Monaten dazu bringen, in 23 Sekunden zu schießen“, sagt Kirchner.

Die anderen Nationen haben aufgeholt, kleinste Fehler rächen sich sofort. „Wenn man keine Topleistung bringt, wird man durchgereicht“, sagt Peiffer, „das Niveau gleicht sich immer mehr an. Damit haben wir zu kämpfen.“ Eine oder zwei Strafrunden im Sprint sind kaum mehr auszugleichen und bedeuten inzwischen unweigerlich einen hinteren Platz. In der Staffel ist es anders: In die Strafrunde muss erst, wem auch drei Nachlader nicht reichen. Mit acht Schuss fünf Scheiben zu treffen, das schafften gestern selbst die Deutschen.

Helen Ruwald[Oberhof]

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