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Deutschland trifft bei der EM-Qualifikation

© dpa

Weltmeister - und jetzt?: Joachim Löw hat nun Zeit zum Experimentieren

Goldene Zukunft für den Weltmeister? Die Gegner auf dem Weg zur EM 2016 sind von überschaubarem Niveau, der Bundestrainer bekommt ausreichend Möglichkeiten, die Mannschaft weiterzuentwickeln. Und das Grundgerüst bleibt ohnehin erhalten.

Düsseldorf war für Joachim Löw am Dienstag ganz weit weg. Nicht nur räumlich. Der Trainer der Deutschen Nationalmannschaft genoss in Berlin den Jubel der Fans, die sich aufgemacht hatten, um die Mannschaft samt ihrer Betreuer und Trainer am Brandenburger Tor zu empfangen.

Nach dem langen Flug von Rio nach Berlin wirkte der Bundestrainer gelöst und zugleich übermüdet. Seine Augen verbarg er hinter einer Sonnenbrille. Mit großer Wahrscheinlichkeit war hoch oben über dem Atlantik auch das eine oder andere Getränk gereicht worden und es soll ja Menschen geben, die unter Alkoholeinfluss oder Schlafentzug ihr Inneres nach Außen kehren. Joachim Löw gehört nicht dazu. Er vermied bei der Feier mit den Fans eine klare Aussage, was seine Zukunft betrifft. Ob er beim ersten Länderspiel nach der WM am 3. September in Düsseldorf gegen Argentinien weiterhin Trainer sein werde, beantwortete Löw so: „Wir sind alle Weltmeister.“

Das mag im ersten Moment Raum für Spekulationen bieten, ernste Zweifel an Löws Verbleib bestehen aber nicht. Zumindest wenn es nach den Verantwortlichen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) geht. „Wir sind total sicher. Der Präsident hat es gesagt, ich sage es auch: Wir sind total sicher, dass unser Ding noch nicht zu Ende ist“, sagte DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock und riet dazu, den Bundestrainer „jetzt mal ein paar Tage Urlaub“ machen zu lassen. Zuvor hatte Präsident Wolfgang Niersbach mehrfach betont, dass er sich einen vorzeitigen Abschied des Bundestrainers nicht vorstellen könne.

Joachim Löw hat Vertrag bis 2016

Joachim Löw besitzt einen Vertrag bis zur Europameisterschaft 2016. In den vergangenen Tagen war aber spekuliert worden, dass er womöglich mit dem Gewinn des Weltmeistertitels zurücktreten könnte. Diesbezüglich jedoch sagt Sandrock: „Wir haben keine Anzeichen.“

Deutschland wird also mit Löw als Trainer in die Qualifikation für die EM 2016 in Frankreich gehen. Das Turnier wird zum ersten Mal mit 24 Mannschaften ausgetragen. Die vergangenen Auflagen fanden von 1996 an jeweils mit 16 Teams statt. Michel Platini, der Präsident des europäischen Verbands Uefa hatte sich vehement für die Aufstockung eingesetzt und dafür Kritik bekommen. Löw etwa sprach sich in der Vergangenheit gegen eine Erhöhung der Teilnehmerzahl aus. Diese gehe zu Lasten der Qualität beim Endturnier, so der Bundestrainer.

Tatsächlich hat die Qualifikation durch die Erhöhung der Teilnehmerzahl bei der Endrunde an sportlichem Wert verloren. Beinahe die Hälfte der 53 Mannschaften qualifiziert sich für die EM. Gespielt wird in neun Gruppen, die beiden Besten jeder Gruppe sind direkt dabei, selbst der punktbeste Gruppendritte darf ohne Umwege teilnehmen. Die acht anderen Gruppendritten ermitteln die verbleibenden vier Teilnehmer durch Play-off-Spiele. Deutschland trifft in der Gruppe D auf Schottland, Polen, Irland, Gibraltar und Georgien. Los geht es am 7. September in Dortmund gegen Schottland.

Die Weltmeister-Mannschaft bleibt größtenteils zusammen

Neben Löw werden dann auch die meisten Spieler mit dabei sein, die in Brasilien Weltmeister wurden. Einzig die Zukunft von Miroslav Klose im Nationalteam ist noch völlig offen. Klose ist 36 Jahre alt, bei der EM in Frankreich wäre er 38. In Brasilien erzielte er zwei Tore und wurde damit zum erfolgreichsten Torschützen der WM-Geschichte. Seine insgesamt 16 Treffer sind Rekord. Gut möglich, dass der Angreifer von Lazio Rom seine Nationalmannschaftskarriere nun auf dem Höhepunkt beendet. Bei der WM hatte Trainer Löw schon versucht, ohne Klose auszukommen – mit mäßigem Erfolg. In den ersten vier Spielen ließ Löw den Mittelstürmer anfangs auf der Bank und entschied sich für ein System ohne klassischen Angreifer. Ohne Zielspieler in der Spitze fehlte es aber oft an Durchschlagskraft, erst als Klose dauerhaft in die Startformation rückte, wurde das Spiel stringenter.

Während der EM-Qualifikation dürfte Löw versuchen, das Spiel ohne echten Mittelstürmer weiter zu verbessern. Bei dem Modus und den Gegnern erscheint das legitim. Keine Mannschaft, auf die Deutschland während der EM-Qualifikation trifft, war in Brasilien dabei.

Etwas anderes als zu testen bleibt ihm kaum übrig. Außer in Person des verletzten Mario Gomez vom AC Florenz besitzt Deutschland keinen zentralen Angreifer von internationalem Niveau. In der Bundesliga wird diese Position bei den meisten Vereinen von Ausländern besetzt.

Dafür verfügt Löw in André Schürrle, Mario Götze, Thomas Müller oder Mesut Özil über viele Hochbegabte, die immer wieder in die Spitze stoßen können. Durch die Rückkehr des verletzten Marco Reus wird die Auswahl an dribbelstarken, wendigen Angreifern weiter erhöht.

Erinnerungen an berühmtes Beckenbauer-Zitat

Das Grundgerüst der Mannschaft steht ohnehin. Außer Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker und Philipp Lahm, alle um die 30 Jahre alt, werden alle Spieler aus dem WM-Kader noch mindestens zwei bis drei große Turniere für Deutschland bestreiten können. Neue Talente wie Hoffenheims Kevin Volland drängen nach.

Die Situation erinnert in gewisser Weise an jene nach dem Titelgewinn 1990. Damals hatte der scheidende Bundestrainer Franz Beckenbauer der Mannschaft in Aussicht gestellt, auf Jahre unschlagbar zu sein. Beckenbauer begründete seine Zuversicht vor allem mit dem Hinzukommen der Spieler aus der DDR. Am Ende hat das mit der Unschlagbarkeit dann doch nicht so gestimmt.

Dieses Mal sind die Aussichten besser, bei all den Talenten und all den Spielern, die nach überstandenen Verletzungen irgendwann wieder zum Team zurückkehren werden. Neben Marco Reus sind das etwa Ilkay Gündogan oder die Bender-Zwillinge Lars und Sven.

Franz Beckenbauer hat sich inzwischen wieder geäußert, über den Fernsehsender Sky ließ er mitteilen, Deutschland werde „sehr schwer zu schlagen sein“. Das Wort „unschlagbar“ vermied er. Aus gutem Grund.

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