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Morast statt Rasen. Mit Walzen versuchen Stadionhelfer 1974 in Frankfurt vor dem WM-Spiel Deutschland den Platz zu entwässern. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

Sport: Wenn das Wetter das Spiel bestimmt

Torhüter in Trance und Wasser- statt Fußball – Spiele, die Geschichte schrieben.

Schlechte Bodenverhältnisse, weil es zu kalt ist und der Platz schwer bespielbar ist? In Kiel mag für Dortmunds Trainer Jürgen Klopp ein Spiel stattgefunden haben, das besser nicht stattgefunden hätte. In der Geschichte des Fußballs gab es aber schon prominentere Spiele, die trotz widriger Bedingungen angepfiffen wurden und in denen das Wetter zum spielbestimmenden Faktor wurde:

Das Hitzespiel. Lausanne, 26. Juni 1954, WM-Viertelfinale, Österreich gegen Schweiz: 40 Grad im Schatten sind es, als im Stade Olympique de la Pontaise vor 32 000 Zuschauern angepfiffen wird. Die Hitze übernimmt Regie auf dem Platz, Österreichs Torwart Kurt Schmied erleidet einen Sonnenstich. Spielerwechsel sind noch nicht erlaubt, er muss im Tor bleiben und taumelt in Trance zwischen den Pfosten hin und her. Die Schweiz erzielt binnen acht Minuten drei Tore. Österreichs Masseur Josef Ulrich stellt sich hinter das Tor und dirigiert den orientierungslosen Schmied. Die Österreicher drehen das Spiel, schießen in zehn Minuten fünf Tore. In der Schlussphase bricht der Schweizer Roger Bocquet entkräftet zusammen. Österreich siegt 7:5 – bis heute WM-Rekordergebnis. Schmied erzählt später: „Alle anderen haben mir vorgeschwärmt, was das für ein großartiges Match war. Ich habe dann immer gesagt: „Ihr könnt mir eh alles erzählen, ich weiß ja nichts mehr.“

Das Höhenspiel. Mexiko-Stadt, 17. Juni 1970, WM-Halbfinale, Italien gegen Deutschland: In der Höhe und Hitze von Mexiko findet 1970 im Halbfinale eines der spektakulärsten Spiele der WM-Historie statt. 1:1 steht es in der dünnen Luft nach 90 Minuten. Bundestrainer Helmut Schön hat schon zwei Mal ausgewechselt, Franz Beckenbauer muss trotz Schlüsselbeinbruchs auf dem Platz bleiben und trägt einen Arm in einer Schlinge. Nach einer dramatischen Verlängerung siegt Italien 4:3 – in der Mittagshitze bei 40 Grad. Das europäische Fernsehen ist schuld an der frühen Anstoßzeit: Zum ersten Mal werden Spiele aus Lateinamerika in Europa live gezeigt. Das hat zur Folge, dass manche Spiele um zwölf Uhr Ortszeit angepfiffen werden – zur besten Sendezeit in Europa, aber auch in glühender Mittagshitze vor Ort.

Das Wasserspiel. Frankfurt am Main, 3. Juli 1974, zweite WM-Gruppenphase, Deutschland gegen Polen: Der Tag beginnt freundlich, doch dann gießt es sintflutartig. Der Platz im Waldstadion wird zum Morast. Schon Stunden vor Anpfiff versuchen Menschen, mit Wasserwalzen das Feld zu drainieren. Die Feuerwehr pumpt Wasser vom Rasen ab. Für die Deutschen wird die Regenschlacht ein Glücksfall. Die technisch versierten Polen können ihre Qualität nicht ausspielen. Bei flachen Pässen stoppt der Ball dort, wo er will, und nicht dort, wo er soll. Deutschland hat die besseren Chancen: Uli Hoeneß vergibt einen Elfmeter, auf Gerd Müller ist Verlass. Mit einem Schuss ins rechte untere Eck trifft der gedankenschnelle Stürmer zum 1:0. Kapitän Beckenbauer sagt später: „Bei normalen Verhältnissen hätten wir wahrscheinlich keine Chance gehabt.“ Polen hatte zuvor fünf Spiele in Folge gewonnen.

Das Tropenspiel. Chicago, 17. Juni 1994, WM-Auftaktspiel, Deutschland gegen Bolivien: Um 14 Uhr sind es in Chicago 35 Grad bei 90 Prozent Luftfeuchtigkeit. Im Stadion sind Sanitäter im Dauereinsatz. Dutzende Hitzeopfer kommen ins Krankenhaus, während Vip-Gäste das Spiel von klimatisierten Logen aus genießen. Jürgen Klinsmann bekommt schon nach 20 Minuten das Gefühl, „bei der brutalen Hitze gegen eine Wand zu rennen“. Trotzdem siegen die Deutschen 1:0. Nach Abpfiff kommen die geschafften deutschen Spieler an den Tropf. Claus Vetter

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