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Schiefe Perspektive. Leipzig und Diego Demme (rechts, im Duell mit Monacos Djibril Sidibe) hatten sich gegen den Halbfinalisten der Vorsaison mehr ausgerechnet.

© Jan Woitas/dpa

RB Leipzig in der Champions League: Wenn nicht jetzt, wann dann?

RB Leipzig hadert mit dem 1:1 gegen Monaco – die Ansprüche sind in der Champions League bereits hoch.

Ein Punkt ist ein Punkt ist ein Punkt und doch ein bisschen wenig. Finden sie jedenfalls in Leipzig, das sich auch im Fußballstadion gern als Heldenstadt vermarktet, und Helden sind nun mal nicht für halbe Sachen zu haben. 1:1 zur Champions-League-Premiere daheim gegen AS Monaco – schön und gut, aber es hätte schon etwas mehr sein dürfen.

Also umdribbelt Timo Werner erstmal die üblichen Hürden in einer Eleganz, wie sie für einen 21-Jährigen so selbstverständlich nicht sind. Es geht darum, ob er auch in absehbarer Zukunft in Leipzig kicken will, obwohl doch Europas Hochfinanz hinter ihm her ist, namentlich Real Madrid. Werner lacht. „Jeder will einmal bei einem großen Klub spielen. Wenn ich RB helfen kann, ein großer Klub zu werden, tue ich das natürlich.“

In diesem Sinne gibt Werner an diesem kühlen Abend vor, was da in zwei Wochen folgen möge, nämlich ein Sieg bei Besiktas Istanbul, dem ersten Tabellenführer der Vorrunden-Gruppe B. RB Leipzig plant die erstmalige Teilnahme an der Champions League nicht als Abfolge netter Abende mit besonderer Hymne. Dass der Trainer dabei nicht Fallschirmseide trägt, sondern dunkles Tuch, hat die sächsischen Fußballer gewiss amüsiert, aber irgendwann ist auch mal gut. „Die haben schon gelacht“, sagt Ralph Hasenhüttl, „aber wenn das Spiel erstmal läuft, denkst du nicht mehr an den Anzug.“ Die Vorrunde auf der größten aller Bühnen ist keine Kür, sondern Pflicht. Das Unentschieden gegen Monaco, immerhin Halbfinalist der Vorsaison, sei schon „ein bisschen ärgerlich“, sprach Werner, aber das lasse sich ja alles noch geraderücken.

Sehen Sie das auch so, Herr Hasenhüttl? Für einen Augenblick wirkt der Leipziger Trainer irritiert. Er schwitzt und kratzt sich am Hemdkragen, muss er jetzt was dazu sagen? „Der Timo will halt immer gewinnen, das ist auch gut so.“ Aber immerhin habe seine Mannschaft doch ein kleines Erfolgserlebnis erstritten, „wir haben bekommen, was wir wollten“, nämlich eine Inauguration ohne Niederlage, und das sei doch auch schon mal was wert.

Der Österreicher Hasenhüttl hat sich auf diesen Abend gefreut, es war das erste Europapokalspiel in Leipzig seit bald 30 Jahren, „das hat man schon gemerkt, wie stolz die Leute hier waren“. Aber natürlich weiß er auch, wie schief dieser historische Vergleich ist. RB Leipzig steht in keiner Tradition zu den Abenteuern des DDR-Klubs Lok, der nach allerlei Auflösungen gerade in der Viertklassigkeit kickt und nichts mit dem aus Salzburg alimentierten Brauseklub zu tun haben will.

„Wir haben alle ein bisschen mulmiges Gefühl, weil wir besser spielen können“, sagt RB-Kapitän Willi Orban

Der Emporkömmling hat eine vergleichsweise kommode Vorrundengruppe erwischt. Mit den von schweren Verlusten gebeutelten Monegassen, der Wundertüte FC Porto und Besiktas Istanbul, keine der ganz großen Nummern im internationalen Geschäft. Was soll da die etablierte Borussia aus Dortmund mit der Gegnerschaft von Real Madrid und Tottenham sagen? Leipzig ist durch Emil Forsberg in einer dominanten ersten Hälfte in Führung gegangen, aber Monaco benötigte nur zwei Minuten, um durch Youri Tielemans den Ausgleich zu schaffen.

Das spricht mehr für den Gast als für den Gastgeber. In diesem Sinne formuliert Monacos Trainer Leonardo Jardim sein Fazit der Leipziger Premiere. „Die Vergangenheit interessiert keinen, wir stehen am Anfang einer neuen Saison“, sagt der Portugiese. „Alle Mannschaften suchen noch ihre Stammbesetzung, aber die Leipziger haben sie schon. Sie spielen genauso wie in der letzten Saison und haben noch ein paar Leute dazu bekommen.“

Da ist was dran. Ja, Monaco betritt die größte europäischen Bühne als Französischer Meister mit dem Etikett des vorjährigen Halbfinalisten, aber was kann die aktuelle Mannschaft dafür? Das Wunderkind Kylian Mbappé schießt seine Tore mittlerweile in Paris, drei weitere Koryphäen haben sich in die Premier League verändert, dazu war der Stratege Thomas Lemar am Mittwoch wegen einer Oberschenkelverletzung unpässlich. Europäisches Debüt hin, prominenter Gegner her – wann, wenn nicht zu dieser frühen Saisonphase, kann ein eingespielter Newcomer das von Veränderungen geplagte Establishment schon ärgern?

„Wir haben alle ein bisschen mulmiges Gefühl, weil wir besser spielen können“, sagt RB-Kapitän Willi Orban, bevor er in die Nacht aufbricht. „Ein bisschen mehr Mut hätte uns gutgetan.“ Wie es sich gehört in der Heldenstadt.

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