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Sport: Wenn Oldies rebellieren

Inter Mailand stolpert durch die Saison, weil die Erneuerung abgebrochen wurde.

Es war symptomatisch. Javier Zanetti, der 38 Jahre alte Kapitän und Musterprofi, holte sich im 551. Meisterschaftsspiel für Inter seinen ersten Platzverweis ab. Im Laufduell im Strafraum erwies sich der zwölf Jahre jüngere Udinese-Angreifer Asamoah trotz Umwegs als der Schnellere. Zanetti blieb nur das Foul. Erstmals in 16 Jahren in der Serie A sah er Gelb-Rot. Damit ist eine einzigartige Karriere in ihrer Spätphase etwas weniger einzigartig geworden. Inters Unheil erfuhr einige Minuten später eine komische Fortsetzung. Bei einem Elfmeter rutschte Stürmer Giampaolo Pazzini weg und setzte sich auf den Hosenboden. Der Ball landete über dem Tor. Die Szene dürfte in keinem Jahresrückblick fehlen. Inter verlor gegen Udinese Calcio 0:1.

Dinge wie diese können passieren. Beim FC Internazionale werden sie in dieser Saison aber zur Routine. Der Traditionsklub verlor gegen Udine bereits das sechste von insgesamt zwölf bisherigen Meisterschaftsspielen und liegt bei einem Spiel weniger als die Konkurrenz auf dem fünftletzten Tabellenplatz. Und weder Mannschaft, Management noch Trainer des einzigen italienischen Klubs, der noch nie aus der Serie A abgestiegen ist, machen den Eindruck, als könnten sie an der Malaise etwas ändern.

Vielleicht fühlt sich ja die Mannschaft auch zu sicher. In der Champions League hat sie die Vorrunde bereits gemeistert und ließ sich am Mittwochabend gehen. Die bereits vor dem Spiel als Gruppensieger feststehenden Italiener leisteten sich eine 1:2 (0:0)-Heimniederlage gegen ZSKA Moskau.

Coach Claudio Ranieri ist zunehmend ratlos. Am Sonntag gab er seinen Spielern frei, was die Argentinier Alvarez und Zarate prompt zu einem Diskobesuch bis in das Morgengrauen nutzten. Ranieri selbst gibt außer Durchhalteparolen wenig zum Besten. „Wir müssen Kraft aus uns selbst schöpfen und wieder aufstehen“, sagte er. Leider gelingt es seiner Mannschaft aber nicht, sich nach einem Erhebevorgang eine Zeit lang auf zwei Beinen zu halten. Der positive Effekt des Trainerwechsels ist längst verpufft.

Im September hatten sich die Oldies in der Mannschaft – neben Zanetti vor allem dessen argentinischer Landsmann Esteban Cambiasso – darüber gefreut, dass der als Erneuerer verpflichtete Gian Piero Gasperini entlassen wurde. Der hatte versucht, das Spiel des Champions-League-Siegers von 2010 zu modernisieren und die Passfolgen im Mittelfeld zu beschleunigen, was perspektivisch eine Reservistenrolle für die zwar einsatz- und charakterstarken, aber inzwischen langsamen Heroen bedeutet hätte. Ihr Unmut und mangelnde Resultate führten schließlich zur Verpflichtung von Ranieri, der die Alten wieder stärkte. Die sind zwar ein Stabilitätsfaktor im Mannschaftsgefüge, nehmen auf dem Platz aber zunehmend eine Bremserrolle ein.

Anteile an dem Desaster hat aber auch das Management. Erst wollte man Spielmacher Wesley Sneijder verkaufen, dann trennte man sich vom Torgaranten Samuel Eto’o. Und Gasperini erfuhr niemals die Unterstützung, die ein Antonio Conte beim aktuellen Tabellenführer Juventus genießt. In Turin glückte die Erneuerung, die Inter aufschob.

Die Meisterschaft hat Inter inzwischen abgeschrieben. Für die eine oder andere Überraschung im aktuellen internationalen Wettbewerb ist die angeschlagene Truppe dennoch fähig. Viele Tifosi fühlen sich an die Saison 1993/94 erinnert. Damals schrammte Inter um einen Punkt am Abstieg vorbei, holte aber den Uefa-Cup.

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