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Sport: Wer kriegt diesmal Prügel?

Im Spiel Schweiz gegen Türkei geht es für beide Teams schon um alles. Das weckt schlimme Erinnerungen: Vor drei Jahren endete die gleiche Begegnung in Istanbul in einer wüsten Treterei

Da hilft nur noch beten, glaubt Ahmet Cakar. „Allah steh’ uns bei“, schrieb der türkische Sportkommentator in der Zeitung „Sabah“ vor dem EM-Spiel der Türken gegen den Gastgeber Schweiz am Mittwoch. Cakars Pessimismus steht stellvertretend für die Gemütsverfassung in der türkischen Presse und bei den Menschen auf der Straße. Nach der schwachen Leistung bei der 0:2-Auftaktniederlage gegen Portugal ist die Stimmung am Bosporus düster. „Wenn wir mit dieser Mannschaft die Gruppenphase überstehen, ist das eine Schande für den Fußball“, hieß es in der Zeitung „Hürriyet“. Eine erneute Niederlage der Türken am Mittwoch würde das Aus bei ihrer erst dritten EM-Teilnahme bedeuten. Da die Schweizer nach ihrem verlorenen Auftaktspiel eine ähnliche Ausgangsposition haben, wohnt der Partie in Basel eine gewisse Brisanz inne.

Das lässt ungute Erinnerungen wach werden. Nach einem WM-Qualifikationsspiel zwischen beiden Ländern im November 2005 in Istanbul hatten türkische Spieler und Betreuer nach dem Abpfiff auf dem Spielfeld und im Kabinengang schweizerische Spieler angegriffen und verletzt; ein Schweizer musste sogar ins Krankenhaus. In dem Spiel hatte sich die Schweiz die Teilnahme an der WM 2006 in Deutschland gesichert, für die Türkei bedeutete die Begegnung das Aus der WM-Träume. In ersten Reaktionen hatte die türkische Öffentlichkeit damals den Schweizern die Schuld an der Prügelei gegeben. Schließlich setzte sich aber auch in der Türkei die Erkenntnis durch. dass die Gewalt von den Türken ausgegangen war. Zeitungen berichteten damals, Nationaltrainer Fatih Terim habe seinen Spielern den Befehl zum Zuschlagen gegeben.

Das nährt Befürchtungen, dass sich die unschönen Szenen in Basel wiederholen könnten. Die meisten Fußballfans in Istanbul glauben nicht daran. Die Schweizer könnten unbesorgt sein, sagt der Lastwagenfahrer Ali Bilgin: „Ach, mit diesen Zwischenfällen haben wir längst abgeschlossen, wir Türken blicken lieber nach vorne. Wenn wir uns gegenseitig verprügeln, bringt das doch nichts.“

Tatsächlich ist drei Jahre nach dem Skandalspiel zumindest in der türkischen Öffentlichkeit die damalige Aggressivität und Rechthaberei einer weit verbreiteten Resignation gewichen. Einige türkische Fans die zur EM in die Schweiz geflogen waren, wollten Presseberichten zufolge nach dem enttäuschenden Auftaktspiel schon wieder nach Hause. Andere stornierten ihre Hotelbuchungen in der Schweiz und flogen gar nicht erst los.

In der Internet-Umfrage eines türkischen Fernsehsenders zeigten sich mehr als die Hälfte der Teilnehmer überzeugt, dass die türkische Mannschaft nicht über die Gruppenphase hinauskommen wird. Auf den Straßen Istanbuls sind ebenfalls viele Leute dieser Ansicht. So gibt Zeki Bal, der Trainer einer Istanbuler Stadtteilmannschaft, das Spiel gegen die Schweiz bereits verloren. „Das ist die vorherrschende Meinung in allen Teehäusern hier“, sagt er. Normalerweise begleiten die Türken die Live-Übertragungen von Spielen ihrer Mannschaft in Wohnzimmern und Kneipen mit lautstarken Jubelgesängen. Doch beim Spiel gegen die Portugiesen am Samstagabend herrschte eine deprimierende Stille.

Im Mittelpunkt der Kritik steht Nationaltrainer Terim. Noch vor kurzem war der Trainer, der Galatasaray Istanbul im Jahr 2000 zum Uefa-Cup-Sieg führte, in den Augen der Öffentlichkeit ein Held, der den Beinamen „Imperator“ trug – jetzt ist er der Buhmann. Terim habe mit seiner Taktik und seiner Aufstellung beim Portugal-Spiel gründlich versagt, kritisierten die Zeitungen.

Dem Trainer wird insbesondere eine verfehlte Personalpolitik vorgeworfen, weil er den erfahrenen Stürmer Hakan Sükür und den Stuttgarter Spielmacher Yildiray Bastürk nicht in den Kader aufgenommen hatte. Statt dessen setzte Terim auf den glücklosen Stürmer Sanli Tuncay und den ideenlos agierenden Mittelfeldspieler Emre Belözoglu. „Wir haben aus unseren Fehlern im Portugal-Spiel gelernt“, beteuerte Nationalspieler Ugur Boral. Seine Mannschaft sei besser als die der Schweizer, sagte Boral. „Wir werden gewinnen.“

Ähnliche Durchhalteparolen gibt auch Fatih Terim aus. Er weiß: Eine Niederlage könnte ihn seinen Job als Nationaltrainer kosten. Trotz dieser zusätzlichen Brisanz hebt er beschwichtigend die Hände, wenn er auf eine mögliche Wiederholung der Prügelei mit den Schweizern angesprochen wird. Die damaligen Auseinandersetzungen seien Geschichte, sagte Terim kürzlich: „Aus unserer Sicht ist diese Sache erledigt. Wir müssen in die Zukunft schauen.“ Doch die könnte für ihn selbst schwarz aussehen.

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