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DFB-Chef Niersbach (r.) redet plötzlich anders über Blatter.

© dpa

Widerstand gegen die Fifa und Sepp Blatter: Alles nur Machtspielchen der Uefa?

Fifa-Präsident Joseph Blatter keilt gegen die Europäer, doch DFB-Chef Niersbach spricht von ordentlichen Beziehungen zu ihm. Und zunächst bleibt auch alles beim Alten.

Joseph Blatter ist ein Freund von Metaphern. Seine Vergleiche können dabei reichlich schräg ausfallen. So wie am Abend seiner Wiederwahl als Fifa-Präsident. Im Zürcher Hallenstadion sagte Blatter am Freitag, er wolle das Schiff des Weltverbandes aus stürmischer See zurück an die Küste führen, „da können wir dann Strandfußball spielen“. Am ersten Tag seiner neuen, vier Jahre währenden Amtszeit wählte er dann im Fifa-Hauptquartier ein näherliegendes Bild, aus der Sportart, über die er regiert. „Wer im Fußball verliert, kann ja morgen schon wieder gewinnen“, sagte Blatter, fast schon aufmunternd, an seine unterlegenen Gegner adressiert. Gemeint waren: die Europäer.

Deren Verband Uefa hatte vergeblich versucht, ihn mit dem Kandidaten Prinz Ali bin al-Hussein zu stürzen. Der Jordanier erhielt von den Delegierten zwar 73 Stimmen, so viele wie kein Gegenkandidat Blatters mehr seit 1998. Doch unterstützen Blatter, trotz aller Skandale der letzten Tage, immer noch 133 Verbände. Nur sieben Stimmen fehlten ihm zum absoluten Triumph mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Da zog sich al-Hussein geschlagen zurück. Die Aufmunterung für die Gegner konnte sich Blatter am Samstag also leisten. Doch er keilte auch kräftig zurück.

„Ich vergebe jedem, aber ich vergesse nicht“, sagte Blatter direkt nach der Wahl in einem Interview, in dem er von einem Hass sprach, den er von der Uefa gegen sich verspüre.

Diese Äußerungen ließen eine hitzige Sitzung des Exekutivkomitees erwarten. Die neu formierte Fußball-Weltregierung trat am Samstag erstmals zusammen, mit am Tisch saßen auch Blatters bisherige Gegner: Uefa-Chef Michel Platini und Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Viele Beobachter vermuteten, Blatter könne sich an ihnen rächen, indem er den Europäern einen WM-Startplatz streicht.

Doch hinterher sprach Blatter von „guter Stimmung“ während des Treffens. Naja, der ein oder andere habe gefehlt. Marco Polo del Nero etwa, der Brasilianer war am Donnerstag überstürzt abgereist, weil US-Behörden gegen seinen Verband ermitteln. Und David Gill. Der englische Fifa-Vizepräsident zog sich aus Protest gegen Blatter aus dem Gremium zurück.

Bei der Verteilung der 32 WM-Startplätze bleibt zunächst alles beim Alten

Aber sonst? Sehr harmonisch. Bei der Verteilung der 32 WM-Startplätze bleibt ja alles beim Alten bei den Turnieren 2018 in Russland und 2022 in Katar. Teilnehmen dürfen weiterhin der Gastgeber, 13 Teams aus Europa und fünf aus Afrika. Südamerika und Asien bleiben bei je 4,5 Plätzen, Nord- und Mittelamerika bei 3,5 und Ozeanien bei 0,5. Okay, einige Kontinente seien „nicht vollumfänglich zufrieden gewesen“, berichtete Blatter. Vermutlich diejenigen, denen er zuvor einen WM-Teilnehmer mehr versprochen hatte. Doch sein Wahlvolk auf diese Art zu belohnen, hätte die Europäer endgültig gegen Blatter aufgebracht. So nahm er ihrem Widerstand jedoch, um die Schiff-Metapher zu verwenden, den Wind aus den Segeln.

Stattdessen zeigten sich die bisherigen Gegner erleichtert. „An der Rolle der Uefa hat sich nichts geändert, es gibt jetzt keinen Abbruch der Kooperation“, sagte DFB-Chef Niersbach nach seiner ersten Sitzung als Exko-Mitglied. Von all den Andeutungen, die Europäer könnten die Fifa oder gar die WM boykottierten, ist nichts mehr geblieben. „Wir kennen es aus politischen Wahlkämpfen, dass aus Gegnern über Nacht Koalitionäre werden“, sagte Niersbach sogar. Der DFB sei zwar zuvor gegen Blatter gewesen, „trotzdem ist unsere Beziehung in Ordnung“. Am Vorabend hatte Niersbach noch gesagt, er glaube nicht, dass sich Blatter mit 79 Jahren noch einmal wandeln könne. Am Samstag sagte er über die Glaubwürdigkeit des Fifa-Präsidenten: „Wenn er die so unterstreicht, dann glaube ich ihm.“

Und so wirkt es, als sei der große Widerstand der Europäer für einen Wandel in der Fifa nur ein Machtspielchen gewesen, um sich in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen. Am kommenden Samstag wollen sich die Uefa-Verbände in Berlin treffen, beim Finale der Champions League, und ihr weiteres Vorgehen besprechen. Doch die großen Drohgebärden in Richtung Fifa und Blatter werden wohl ausbleiben. Zumal es Platini noch nicht einmal hinbekam, dass sein Heimatverband Frankreich gegen Blatter stimmte. Letztlich haben die Europäer mit al-Hussein einfach auf einen zu schwachen Kandidaten gesetzt. Hätten sie wirklich an den Machtwechsel geglaubt, wäre Platini selbst angetreten. Doch mit 13 WM-Teilnehmern hat die Uefa nun, was sie wollte.

Blatter sieht seine Feinde nicht nur in den USA, sondern auch bei der Uefa

Dennoch könnte Europas Verhältnis zur Fifa weiter belastet bleiben. Blatter sieht seine Feinde nicht nur in den USA, wo die Behörden weiter gegen ihn und seine Funktionäre ermitteln, auch wenn er weiter jede Verstrickung und Verantwortung abstreitet. So kritisierte Blatter vor allem die Uefa: Die habe nicht einmal ein Ethikkomitee wie die Fifa. Und sie habe sich dagegen gewehrt, dass Fifa-Spitzenfunktionäre auf ihre moralische Eignung überprüft werden. Und sie arbeite nicht einmal auf Sitzungen mit, wie der abwesende Engländer Gill.

Auch Blatters Wahlversprechen richten sich gegen die Macht der reichen europäischen Verbände. Er will ein Büro für Profifußball einrichten, „einen direkten Draht“. Das könnte die größten Vereine von Real Madrid bis Bayern München stärker an die Fifa als an die Uefa binden. Das Exekutivkomitee will Blatter ausweiten, um bis zu vier Mitglieder, er äußerte sich da vage. Sicher werden die neuen Regierungsmitglieder keine Europäer sein, deren Einfluss damit weiter beschnitten wird. Und schon im September soll darüber gesprochen werden, ob die WM ab 2026 künftig mit 40 Teams stattfindet. Die Uefa wäre wieder mit dem Verteilungskampf der Turnierplätze abgelenkt. Die zuletzt protestierenden Fifa-Sponsoren will Blatter dagegen mit persönlichen Besuchen beschwichtigen.

Blatter gelobte auch, kommunikativer zu werden und ließ danach keine Nachfragen mehr zu. Dann zog er los, um die Fifa „in ruhigere Gewässer zu führen“. Die Fragen zu dieser Metapher lauten nur: Welche Gegner rammt sein Schiff aus dem Weg? Wer könnte es noch kapern? Oder läuft es irgendwann auf, wenn Blatter den Strand erreicht?

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