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Sport: Wie ausgewechselt

An der Küste schreiben sie an diesen Tagen eine seltsame Geschichte. Bis vor zwei Wochen noch war Friedhelm Funkel Trainer in Rostock.

An der Küste schreiben sie an diesen Tagen eine seltsame Geschichte. Bis vor zwei Wochen noch war Friedhelm Funkel Trainer in Rostock. Hansa spielte miesen Fußball, Trainer Funkel war unbeliebt. Die wenigen Fans, die noch ins Ostseestadion kamen, schrien: "Funkel raus!" Und: "Fußball statt Funkel!" Rostock entließ daraufhin seinen Cheftrainer. Juri Schlünz, ein Mann aus dem Trainerstab, übernahm vorerst den Chefposten. Unter Schlünz gewann Hansa daraufhin 2:0 in Mönchengladbach und am Sonnabend sogar 1:0 gegen Bayern München. Jetzt rufen die Fans: "Juri, Juri".

Zum Thema Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Das etwas seltsame an der Geschichte ist, dass Juri Schlünz noch exakt 14 Tage Cheftrainer in Rostock sein darf. Am 1. Januar übernimmt Armin Veh das Amt des Cheftrainer. Veh war bis vor kurzem noch Trainer des Zweitligisten SSV Reutlingen. Auf der Internetseite von Hansa Rostock ist Juri Schlünz bereits wieder zum Kotrainer degradiert worden. Armin Veh sei Hansas Cheftrainer, steht da, und zwar "seit Januar 2002." Das ist etwas unglücklich formuliert. Noch sitzt bekanntlich Schlünz da unten am Spielfeldrand, jener Mann also, der in seinen 33 Jahren bei Hansa Rostock 328 Erstliga-Spiele für den Klub absolvierte, und immer dann für ein paar Tage zum Cheftrainer befördert wird, wenn der eigentliche Cheftrainer entlassen wird. Juri Schlünz ist nie mehr als eine Übergangslösung.

Das Problem ist, dass Schlünz Erfolg hat. Und zwar immer, wenn er bei Hansa Rostock einspringen darf. Im vergangenen Jahr, nachdem Andreas Zachhuber entlassen wurde, holte Schlünz vier Punkte aus zwei Spielen. Dann kam Funkel, und Schlünz verschwand wieder im erweiterten Trainerstab. Angeblich will es der 40-Jährige nicht anders: "Ich hätte ein Problem damit, drei Spiele in Folge zu verlieren, und die Fans dann brüllen zu hören: "Schlünz raus!" Das will ich mir nicht antun." Der Verein auch nicht. Deshalb hat Hansa Rostock vorsichtshalber schon mal den neuen Coach Armin Veh präsentiert, einen Trainer mit moderner Fußballphilosophie. Veh kommt nicht aus der Region, sondern aus Süddeutschland.

Großes Vertrauen in eigene Leute scheinen sie beim FC Hansa Rostock nicht zu haben. Als der Vorstand im vergangenen Jahr krampfhaft an Ewald Lienen festhielt, sagte Hansas Vorsitzender Rainer Jarohs: "Trainer aus der alten Bundesrepublik haben mehr internationale Kontakte und deshalb bei Spielerkäufen die besseren Karten." Etwas widerwillig nahmen sie zur Kenntniss, dass wenig später der gebürtige Mecklenburger Andreas Zachhuber, eigentlich nur eine Übergangslösung für den Trainerstuhl, nicht nur bei den Hansa-Fans beliebt war, sondern auch Erfolg hatte. Bei Schlünz ist es ähnlich. Der Verein ist unter seiner Regie ungeschlagen.

Am Sonnabend stand das Ostseestadion Kopf. Hansa hat den großen FC Bayern geschlagen. Mit einem Spieler wie Timo Lange als Abwehrchef und einem Juri Schlünz als Trainer an der Seitenlinie. Beide gehören seit Jahren zu diesem Klub. Sie sind ein Teil des Vereins. Neue Trainer, gerade jene aus den alten Bundesländern, haben es schwer. Das war an Friedhelm Funkel zu sehen. Armin Veh wird es nicht leichter haben.

Der Trainerwechsel hat der Mannschaft gut getan. So etwas nimmt den Spielern das Alibi. Rostock spielt keinen besseren Fußball. Aber die Mannschaft kämpft. So etwas kommt an. Die Fans sangen am Sonnabend sogar: "Deutscher Meister FCH." Ernst haben sie das natürlich nicht gemeint. "Jeder gibt wieder mehr Gas", sagt Mannschaftskapitän René Rydlewicz. "Auch die Ersatzspieler, die eine neue Chance sehen." So wie Dietmar Hirsch. Er schoss drei Minuten nach seiner Einwechslung das 1:0. Hansas Präsident Manfred Wimmer geht die Euphorie um Juri Schlünz ein bisschen zu weit. "Warten wir doch erst einmal das nächste Spiel ab", sagte Wimmer. Und Schlünz sagt: "Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Armin Veh."

André Görke

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