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Wie es weitergeht: Hertha kämpft ums Überleben

Hohe Schulden drücken, auch die Einnahmen in der Zweiten Liga sinken, doch Hertha BSC will große Verrenkungen unternehmen – und setzt alles auf den sofortigen Wiederaufstieg in die Bundesliga.

Es klang wie eine Drohung, als Artur Wichniarek vorige Woche seinen Verbleib in Berlin angekündigte: „Ja, ich bleibe. Ich will endlich was zurückgeben.“ Wichniarek ist im vergangenen Sommer zum zweiten Male von Hertha BSC eingekauft worden. Während der Stürmer in seiner ersten Dienstzeit von 2003 bis 2005 auf mickrige vier Tore kam, ist er nach 19 Einsätzen in dieser Saison gänzlich frei von Torerfolgen. Es ist sicher nicht übertrieben, die Beziehung zwischen Hertha und dem 33-Jährigen als größtes Missverständnis des deutschen Fußballs zu bezeichnen. Und nun kündigt Wichniarek eine Fortsetzung an.

Es ist wirklich nicht leicht, Hertha-Fan zu sein, jetzt, da der Abstieg perfekt ist. Wo ist Hoffnung?

Vielleicht bei Ingo Schiller. Herthas Mann fürs Geld begreift den Abstieg als „Herausforderung“. Schon zu Zeiten von Dieter Hoeneß, dessen Aufgaben vor einem Jahr Michael Preetz übernommen hat, war Schiller als Geschäftsführer für die Finanzen zuständig. Jetzt sagt er: „Wir wollen alles tun, um direkt wieder aufzusteigen. Das wird schwer, aber bei mir ist der Kampfeswille geweckt.“ Mit anderen Worten: Hertha wird alle Kräfte bündeln, um die Zweite Liga so schnell wie möglich wieder zu verlassen – nach oben.

Seit Anfang des Jahres beschäftigt sich Schiller hinter den Kulissen mit dem Zweitliga-Szenario, am 1. April wurden die Lizenzunterlagen bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) für beide Ligen eingereicht. Und für beide Fälle hat Hertha die Lizenz unter Auflagen und Bedingungen erhalten. „Die werden wir auf jeden Fall erfüllen“, sagt Schiller. Der 44-Jährige ist seit 1998 im Verein, im vorigen Herbst wurde sein Vertrag als Geschäftsführer bis 2013 verlängert. Natürlich wird die Zweite Liga auch wirtschaftlich ein Kraftakt für die Berliner, doch bei allen Einbußen im Vergleich zur Bundesliga „schaffen wir für Zweitliga-Verhältnisse sehr gute Bedingungen“, meint Schiller: „Entscheidend ist doch, wie wir im Wettbewerb stehen. Und da kann ich nur sagen: Wir haben Topsponsoren.“

Doch die Schuldensumme von 35 Millionen Euro darf nicht zur Falle werden. Wie heißt es in der Finanzwelt doch: Schulden werden nur zum Problem, wenn der Gläubiger sagt, er wolle jetzt das Geld haben. Mit den Vertretern von drei Banken, die als Gläubiger von Hertha fungieren, soll man weitgehend übereingekommen sein, dass das Projekt Wiederaufstieg unterstützt wird. So wird Hertha einen Teil der zu erwartenden Transfererlöse in den Kader investieren können, den wohl ein anderer Trainer als Friedhelm Funkel zusammenstellen wird.

In den wirtschaftlichen Ruin wird der Abstieg Hertha nicht treiben, aber es sind schon irrsinnige Verrenkungen nötig. In jedem Fall muss das Finanzkonzept neu justiert werden. Die bisherige Absprache mit den Banken war die, dass Transfererlöse ausschließlich in die Schuldentilgung fließen. Bekanntermaßen hatte Hertha im Frühjahr 2006 mit den Banken ein Schuldenkonzept gebastelt, das dem schwer verschuldeten Klub die Liquidität sicherte. In diesem Konzept war klar geregelt, welche Beträge Hertha jährlich in die Schuldentilgung steckt. Dieser Plan ist längst nicht mehr aufrechtzuerhalten. Als Zweitligist wird Hertha in allen signifikanten Bereichen hohe Einnahmeverluste hinnehmen müssen. Allein vom Fernsehen wird der Klub mindestens zehn Millionen Euro im Jahr weniger bekommen. In der erfolgreichen Vorsaison waren es rund 20 Millionen, in dieser Saison werden es gut 17 sein. Doch in der kommenden wird Hertha nicht mehr als sieben Millionen aus diesem Topf erhalten.

Treffen werden Hertha auch die Zuschauereinnahmen. In der Zweiten Liga rechnet Hertha mit 20 000 Zuschauern, weniger als die Hälfte des jetzt erreichten Durchschnitts. Doch die Kosten für das Olympiastadion blieben fast gleich. In der Zweiten Liga werden rund 145 000 Euro pro Heimspiel fällig, bisher waren es 170 000 – oder 250 000, wenn mehr als 50 000 Besucher im Stadion waren.

Darüber hinaus wird Hertha aus dem Sponsoring Mindereinnahmen zu verkraften haben. Ausrüster Nike wird vertragsgemäß deutlich weniger zahlen in der Zweiten Liga. Bei einem Teil der sechs Exklusivpartner des Vereins ist vertraglich geregelt, was in der Zweiten Liga zu zahlen ist, bei anderen (Audi, Carlsberg) muss es neu verhandelt werden, was derzeit passiert.

Zuletzt hatte Hertha 1991 den Weg in die Zweitklassigkeit antreten müssen, erst sechs Jahre später gelang die Rückkehr in die Bundesliga. Angesichts der wirtschaftlich angespannten Lage wird jede Spielzeit in der Zweiten Liga eine Art Überlebenskampf. Schon aus diesem Grund hat die Vereinsspitze sich den sofortigen Wiederaufstieg zum Ziel gesetzt.

Der Etat für die auslaufende Saison von rund 75 Millionen Euro soll für die Zweite Liga halbiert werden. So müssen die Personalkosten von rund 30 Millionen Euro auf 14 Millionen Euro absinken. Hertha wird sich den jetzigen Kader nicht leisten können. Zwar kann der Verein Verträge mit einer Laufzeit über diesen Sommer hinaus per Option verlängern, das allerdings bei Gewährleistung der Erstligabezüge. Sollte Hertha die Option nicht ziehen, könnten diese Spieler den Klub ablösefrei verlassen. Dieses Modell birgt Risiken.

Beispiel Arne Friedrich. Zöge Hertha in seinem Fall die Option nicht, wäre er ablösefrei. Zöge Hertha die Option, könnte Friedrich verkauft werden. Sollte sich aber kein Käufer finden, bliebe Friedrich in Berlin, doch der Klub müsste Friedrichs Erstligagehalt von geschätzten drei Millionen Euro jährlich zahlen. Dieses Problem dürfte es im Fall Wichniareks nicht geben. Für die Zweite Liga ist der Pole durchaus eine Option. Spätestens an diesem Punkt muss sich Manager Michael Preetz fragen lassen, was er mit dem Transfer Wichniareks vor einem Jahr bezwecken wollte.

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