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Megan Rapinoe wurde für ihren Kampf um Gleichstellung von Präsident Biden mit der höchsten zivilen Auszeichnung geehrt.

© IMAGO/ZUMA Wire

„Alles hier ist politisch“: Wie Fußballerinnen in den USA für Gleichstellung kämpfen

Die US-Fußballerinnen um Megan Rapinoe haben es geschafft: Sie werden zukünftig wie ihre männlichen Kollegen bezahlt. Doch wann ziehen andere Länder nach?

Wenn Megan Rapinoe spricht, dann strahlt sie meistens, wirkt souverän und macht auch mal einen Witz. Vor wenigen Wochen war das anders: Da kämpfte die US-amerikanische Profifußballerin sichtlich mit den Tränen und hatte Schwierigkeiten die Worte zu finden. Es war der Moment, in dem sie erfahren hatte, dass der Supreme Court das bundesweite Recht auf Abtreibung gekippt hatte. „Es ist schwierig in Worte zu fassen, wie traurig dieser Tag ist für mich persönlich, meine Teamkolleginnen und alle Menschen, die das betreffen wird“, sagte sie.

Auch für die ehemalige US-Fußballerin Joanna Lohman fühlte sich die Entscheidung an wie ein „Tritt in die Magengrube“. Dabei ist es noch nicht lange her, dass sie und ihre Kolleginnen Grund zur Freude hatten. Im Mai einigten sich der US-Verband sowie die Gewerkschaften der Frauen- und Männer-Nationalteams auf einen historischen Tarifvertrag, der allen Spielerinnen und Spielern die gleiche Bezahlung garantiert. Rapinoe wurde für ihren Kampf um Gleichstellung von Präsident Biden mit der höchsten zivilen Auszeichnung geehrt.

„Es ist ein seltsames Gefühl: Erst gewinnst du etwas so Großes und dann, einen Monat später, haut es dich völlig um“, sagt Lohman auf der Podiumsdiskussion „Diversity in Sports“ in der US-Botschaft in Berlin. „Das erinnert uns daran, dass wir uns als Frauen auf der Welt nie sicher fühlen können, sondern immer wieder für unsere Rechte kämpfen müssen.“ Seit 1985 hätten sie und ihre Vorgängerinnen daran gearbeitet, die Bedingungen für Frauen im Fußball anzugleichen.

„Es waren Generationen von Spielerinnen nötig. Nun hat das Nationalteam den Kampf endlich gewonnen.“ Dass das US-Frauennationalteam profitabler sei als das Männernationalteam, habe geholfen, sagt Lohman. „Das ist einfach der Beweis dafür, wie sehr diese Frauen die Gesellschaft verändern können.“

Mindestens zehn Schritte vorwärts

Lohman hofft, dass andere Länder wie Deutschland jetzt nachziehen, dass auch sie daran arbeiten die Situation von Frauen im Fußball zu verbessern. Nadine Angerer stimmt ihr zu: Deutschland sei zwar eines der erfolgreichsten Fußballländer, gleichzeitig beobachtet die ehemalige deutsche Nationalspielerin und Weltmeisterin Rückwärtsschritte. „Während meiner Zeit als Spielerin haben wir mehr verdient als die Spielerinnen heute.“ Der Verband sollte Fußballerinnen finanziell besser unterstützen und mindestens zehn Schritte vorwärts gehen. „Aber das passiert nicht von alleine: Die Spielerinnen müssen als Team zusammenhalten.“

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Die ehemalige Torhüterin von Turbine Potsdam begann im Jahr 2016, nach einigen Stationen im Ausland, als Torwarttrainerin in Portland zu arbeiten. Nun wurde sie sogar in die „Hall of Fame“ des Deutschen Fußballs aufgenommen. Aus ihrer Erfahrung als Trainerin weiß Angerer: „Hier haben wir aktuell zwei männliche Trainer, die Mehrheit sind Frauen. Das ist großartig und da hängt Deutschland in vielerlei Hinsicht hinterher.“

Joanna Lohman setzt sich für queere Personen im Sport ein.
Joanna Lohman setzt sich für queere Personen im Sport ein.

© Imago

Auch Lohman hebt die Bedeutung von Frauen im Fußball hervor, die gerade Mädchen und jungen Frauen ein Vorbild sein könnten. Sie selbst nutzt ihre große Plattform, um gesellschaftliche Vorstellungen von Weiblichkeit aufzubrechen und queere Sportler*innen zu ermutigen, sie selbst zu sein. „Ich bin ein bisschen maskulin und deshalb immer wieder auf Widerstand gestoßen in meiner Karriere. Außerdem bin ich lesbisch, deshalb passe ich nicht in die Schublade rein, die in der Gesellschaft als Frau gilt.“

Politische Statements dürften zunehmen

Lohman sieht gerade für männliche Spieler große Hürden, sich in der „Machowelt Sport“ zu outen. Die Sorge davor, Fans oder Sponsoren zu verlieren, sei ständig präsent. So erging es auch Marcus Urban, der sich als erster Fußballprofi in Deutschland nach seiner Karriere outete. Über Jahre sei er gezwungen gewesen seine Identität zu verstecken, sagt Urban. „Ich durfte nicht einmal dran denken.“ Der Druck war so stark, dass er auf dem Fußballfeld nicht mehr seine volle Leistung zeigen konnte. Als er dann Nationalspieler wurde, entschied er sich seine Karriere zu beenden. „Ich musste aufhören, weil ich die ganze Zeit depressiv war und erstmal mein Leben sortieren musste.“

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Lohman will Sportler*innen aber nicht nur dazu ermutigen, offen mit ihrer sexuellen Orientierung umzugehen, sondern sich auch politisch zu positionieren. „Alles hier in den USA ist politisch.“

In ihrer Heimat müsse sie keine Sorge haben, ihre Meinung zu sagen, in Ländern wie Katar sei das aber anders. In den Monaten vor der WM dürften politische Statements wie das von Rapinoe also weiter zunehmen.

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