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Sport: Wie zu Hause

Die deutschen Gruppengegner fühlen sich vorbereitet

Costa Rica hat schon seine Armee abgeschafft. Das kann man, friedliebend, als Verzicht auf jedwede Verteidigung interpretieren, was sich allerdings nicht ganz deckt mit dem Anspruch der Nationalmannschaft. Costa-ricanische Journalisten sprechen sarkastisch vom 1-9-1-System, mit dem Trainer Alexandre Guimaraes heute zum WM-Auftakt die Deutschen entnerven will. Ein Torwart, neun Verteidiger, ein Mittelfeldspieler – das könnte eine einseitige Angelegenheit werden in München. Blödsinn, sagt Paulo Wanchope, Costa Ricas berühmtester Spieler und ausgewiesener Offensivspezialist. „Der Fußball hat sich dramatisch verändert. Heute ist doch jeder für alles zuständig“, Stürmer fürs Verteidigen und Verteidiger für Stürmer. Also: „Wenn du wie wir sechs Mittelfeldspieler aufbietest, heißt das nicht, dass du extrem defensiv spielst.“

Sechs Mittelfeldspieler – das klingt schon versöhnlicher. Und wer die Costa-Ricaner bei ihren Testspielen gesehen hat, der wird schwerlich auf den Gedanken kommen, sie würden allzu großen Wert auf die Kunst des Verteidigens legen. Dennoch geben sie sich so selbstbewusst, dass man schwer an einen Bluff glauben mag. Immer wieder betonen Wanchope und seine Kollegen, der Druck liege bei den Deutschen. Aber wie gehen sie selbst damit um, dass sie heute der ganzen Welt vorspielen, vor geschätzt einer Milliarde Fernsehzuschauern? Im Trainingsquartier der Costa-Ricaner im badischen Walldorf schauten höchstens 100 Fans zu.

Ganz anderen Zuspruch erfährt Deutschlands zweiter WM-Gegner in der Öffentlichkeit. Es ist eine hübsche Pointe, dass die Polen heute zu ihrem ersten WM-Spiel in Gelsenkirchen antreten. Im Herzen des Ruhrgebietes, das seinen Boom als Industrierevier zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts den Bergleuten aus Schlesien, Masuren und Westpreußen verdankte. Laut Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski müssen die Gäste aus dem Osten bei der WM keine Hotels buchen, denn „alle Polen kommen bei Verwandten unter“. Im Duell mit Ekuador, dem dritten deutschen Gruppengegner, genießen die Polen sozusagen virtuelles Heimrecht.

Aus der realen Heimat sind sie vor zehn Tagen mit Pfiffen verabschiedet worden, nach einem 1:2 gegen die drittklassigen Kolumbianer. In Deutschland wurden die Polen wie Staatsgäste empfangen. „Die Atmosphäre hier ist ganz anders als in Polen“, hat Trainer Pawel Janas gesagt und dazu spitz angemerkt, „dass die Mannschaft auch ganz anders gespielt hat“. Das war in Wolfsburg, beim 1:0 im letzten Test gegen Kroatien. Der Gegner war auch noch so freundlich und ließ Polens Torhüter Artur Boruc weitgehend in Ruhe. Für Boruc war das Zu-null-Spiel das entscheidende Argument im teaminternen Duell mit Thomas Kuszczak.

Einigen Wirbel gibt es bei Polens Auftaktgegner Ekuador um die spielbestimmende Figur. Es heißt, Agustin Delgado vertrage sich nicht mit Trainer Luis Fernando Suarez, was dieser vehement dementiert – Delgado habe nur ein paar Tage mit dem Training aussetzen müssen, weil sein Knie schmerze. Das wiederum will Delgado so nicht stehen lassen. „Ich bin fit“, sagt der Stürmer von Liga Quito. Da auch Verteidiger Ivan Hurtado seine Magenprobleme überwunden hat, kann Ekuador in Gelsenkirchen seine beste Mannschaft aufbieten.

Das Problem dabei ist, dass die beste Mannschaft zuletzt nicht den besten Eindruck hinterließ. In der Vorbereitung gab es eine 1:2-Niederlage gegen Mazedonien, bei der sich Torhüter Edwin Villafuerte so negativ hervortat, dass er seinen Platz an Christian Mora verlor. Das 4:3 im letzten Test gegen die deutsche Studentennationalmannschaft war auch kaum zum Aufbau von Selbstbewusstsein angetan. Vielleicht liegt es ja am Wetter. Es regnete und wehte im Trainingsquartier in Bad Kissingen; die Südamerikaner fror es im deutschen Frühling so sehr, dass sie aus der Heimat wärmende Kleidung einfliegen ließen. Torwart Villafuerte fühlte sich wie daheim im Winter, „das Wetter erinnert mich an Quito“. Das kann ein gutes Zeichen sein für den WM-Auftakt: In der Höhenluft ihrer Hauptstadt, knapp 2900 Meter über null, haben die Ekuadorianer 23 ihrer 28 Punkte in der WM-Qualifikation geholt und dabei sogar Brasilien und Argentinien geschlagen. Wer fürchtet sich da vor Polen?

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