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Willmanns Kolumne: Arthur aus Marzahn

Beim BFC Dynamo gibt es einen Mann, der mit gewaltbereiten Fans arbeitet und ihnen neue Perspektiven anbietet: Seit drei Jahren macht Arthur Starker diesen Job. Sein Vertrag endet Ende des Jahres - aber ob er verlängert wird, ist fraglich. Ist das das Ende der Präventionsarbeit?

Diesen Donnerstag versammeln sich die 36 Vereine des Ligaverbandes in Frankfurt/Main. Es geht mal wieder um die Sicherheit beim Fußball. Da ich tief im Inneren an das Gute im Lobbyisten glaube, wird der Donnerstag als Wischiwaschi-Parteitag in die Historie eingehen. Praktikabel und wirkungsvoll heißen im Vorfeld die Vokabeln zum Auswendiglernen. Viele Fans = viel Geld, Rendite zählt, alles andere ist Begleitprogramm. Man kann sich auf wohltemperierte Worthülsen gefasst machen, die den Kern des Problems umkreisen.

Die Wortführer der Fans sind sauer auf DFB und DFL, da einst gemachte Versprechungen in der Frage kontrolliert gezündete Pyrotechnik vom Tisch sind. Der Sicherheitsgipfel der Politik fand vor einigen Wochen gleich ohne Fanvertreter statt, man hatte anscheinend Angst vor Spielverderbern.

Aktuell wird wieder fleißig Pyro in den Kurven gezündet, unsere Fußballfunktionäre sind der Meinung, dass mit Geldstrafen und Stadionverboten wirksam bekämpfen zu können. Die Show muss laufen, möglichst ohne unschöne Nebentöne. Mal schaun wo das hinführt.

Ein wichtiges Kapitel in der Konsumenten-Beziehung zwischen Funktionär und Fan ist die Fanarbeit. Öffentlichkeitswirksam wird seitens der Nicht-Fans von DFB, DFL und Politik in jedes Mikro und jeden Notizblock gerufen, wie unterstützenswert Basisarbeit mit jugendlichen Fans sei.

Doch wie sieht beispielsweise in Berlin Fanarbeit in Sachen BFC Dynamo aus?  Dessen Fans alle Jahre wieder, laut Angabe der szenekundigen Beamten der Berliner Polizei, den größten Anteil an gewaltbereiten Fans in Berlin darstellen.

Das Fanprojekt Berlin, vom Berliner Senat und dem DFB bezahlt, stellt jeweils einen Mitarbeiter für Hertha BSC und den 1. FC Union Berlin. Sie arbeiten rund um die Uhr für „ihre Fans“. Für den BFC Dynamo gibt es auch einen Sozialarbeiter.

Arthur Starker ist 38 und seit knapp drei Jahren beim FP-Berlin für den BFC zuständig. Die Stelle wurde geschaffen, um gewaltsuchenden und gewaltausübenden BFC-Fans andere Perspektiven anzubieten, im Rahmen des nationalen Konzepts für Sport und Sicherheit. Über zehn Jahre suchte das Fanprojekt vergeblich einen geeigneten Mitarbeiter, bis endlich Arthur gefunden wurde. Er ist überzeugter Marzahner und seit frühester Kindheit BFC-Fan. Allerdings mit einer längeren Unterbrechung. Als der BFC in der Wendezeit schwer von Hooligans und Nazis frequentiert wurde, zog es ihn zum SV Babelsberg 03. Seit zehn Jahren geht er wieder zu Spielen des BFC.

Er hatte es anfangs schwer, von der BFC-Fanszene angenommen zu werden. Für die älteren Fans war er als Fanarbeiter ein vom Staat bezahlter Bullenspitzel, da hieß es für ihn, sich einrichten in der Löwenhöhle. Die älteren Fans sind für ihn zum größten Teil unerreichbar geblieben. Sie haben ihren Standpunkt, fertig. Die jüngeren Fans sind offener. Sie sind selbst noch auf der Suche, wissen nicht, wohin es mit ihnen geht. Viele kommen aus Hohenschönhausen, einige aus Köpenick, sogar aus Spandau. Mit ihnen kann Arthur arbeiten, spricht über Probleme, die schönen Dinge, den Fußball. Die Selbststärkung der Jugendlichen und Jungerwachsenen und die  Eindämmung von Gewalt sind Arthurs Ding. Er begleitet sie zu den Spielen ihres Clubs, besucht ihre Treffpunkte, ist Ohr.

Nach einem Jahr war Arthur akzeptiert. Vertrauen entsteht nicht von heut auf morgen. Seit kurzem gibt es beim BFC leidlich muntere Ultras, sie nennen sich UBFC und stehen im Block D.

Beim Verein hat man ganz lange gedacht, dass die hässlichen Fans nicht mehr da sind. Nach den Krawallen bei den Spielen gegen den Berliner AK und dem 1. FC Kaiserslautern wusste man, das große Gewalt-Problem war nicht gelöst. Es hatte sich nur versteckt. Seitdem suchte der Verein die Zusammenarbeit mit Arthur. Und Arthur versuchte nicht mit der sozialpädagogischen Keule zu wirbeln, sondern zu vernetzen, zu diskutieren, Denkanstöße zu geben, zu helfen wo er konnte. Der Rest muss von allein kommen. Die Zusammenarbeit scheint sich ein bisschen gelohnt zu haben. Die Ultras des BFC stehen für eine positive Entwicklung. Ihnen geht es um den Spaß beim Fußball. 

Eine kleine Sache vielleicht, doch seit einiger Zeit kommen überhaupt neue Jugendliche zum BFC, das gab es lange nicht. Auch der Verein begrüßt diese Entwicklung und unterstützt sie. Der BFC-Vorstand spricht sich gegen Rassismus und Rechtextremismus aus. Man ist sich inzwischen der sozialen Verantwortung bewusst.

Bei Quartalstreffen sitzt Arthur neben dem BFC, dem Senat und der Berliner Polizei am Tisch. Dort bringt er Probleme und Forderungen der Fans zur Sprache. Zum Beispiel fragt er offiziell nach, warum die Polizeibeamten trotz eindeutiger Gesetzeslage noch immer nicht namentlich gekennzeichnet sind. Dreimal hat die Polizei ein vorher abgemachtes Treffen mit BFC-Fans abgesagt, Arthur bleibt dran. Die Polizei versucht gar nicht erst, ihn als Quelle abzuschöpfen. Sie wissen, dass er dann einpacken kann. Unabhängigkeit und Loyalität gegenüber den Fans ist die Grundvoraussetzung jeder Fanarbeit.

Trotzdem muss Arthur vielleicht bald seine Sachen packen.

Er bekommt gerade einmal zehn Stunden seiner Wochenarbeitszeit für die BFC-Fan bezahlt. Die restliche Arbeitszeit führt ihn in einen Jugendclub nach Wartenberg. Man fragt sich, wie der Mann so vernünftig arbeiten kann. Er muss ein Überzeugter sein. In den Räumen des Berliner Fanprojekts steht für ihn kein eigener Schreibtisch, er hätte auch gar keine Zeit, dessen Kanten abzuwetzen. Ende 2012 läuft Arthurs Vertrag aus. Bis heute ist er nicht verlängert worden. Keiner weiß, wie es mit zarten Pflänzchen der Fanarbeit beim BFC Dynamo weiter geht.

Das ist kein schlechter Witz, das ist unser Berlin abseits vom Gröfatzflughafen und sonstigen Streichen.

Man könnte bei diesen Tatsachen ins Grübeln kommen, wenn man nicht zu jener Sorte Menschen gehörte, die von Politikern und Funktionären geäußerte Propaganda mit der Wirklichkeit verwechseln.

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