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Viel Polizei vor dem Dresdner Fanblock beim Gastspiel bei Union. Viel zu tun hatten die Beamten aber nicht.

© Imago

Willmanns Kolumne: Asoziale Preußen gegen asoziale Sachsen?

Union gegen Dresden, Hochsicherheitsspiel, 1000 Polizisten im Einsatz. Und mittendrin Frank Willmann. Unser Kolumnist erlebte im Stadion an der Alten Försterei dennoch einen ruhigen Fußballnachmittag. Ein paar Fragen hat das ganze Schauspiel allerdings aufgeworfen.

Zugegeben. Bei der Betrachtung eines Fußballspiels schäme ich mich manchmal, Mensch zu sein. Wenn aus der anonymen Masse von ehrlicher Wut gebeutelter Scheintoter Bierbecher oder Feuerzeuge aufs Spielfeld fliegen, möchte ich mich in einen Mückenzombie verwandeln. Um die Missetäter mit einer endlosen Ladung Mückengift zu piesacken.

Auch hochintellektuelle Fußballbetrachter haben ihre humoristische Seite. Ich bin nicht verbittert, bzw. fanfeindlich und durch und durch nihilistisch, was die Zukunft unseres Sports und die Entwicklung der Fankultur anbelangt. Asoziale Sachsen gegen asoziale Preußen stand auf dem Programm. Das ist nicht meine Sicht der Dinge. Beide dogmatische Losungen werden oft und gern in den Kurven intoniert. Aus unerfindlichen Gründen wärmt es die Fanseele und gibt den Menschen Halt und Kraft anlässlich schlimmer Tabellenkonstellationen.

Dynamo Dresdens Gastspiel beim 1. FC Union flackerte am Wochenende unter einem bezeichnenden Unstern. In den Kurven beider Klubs brodelt es gewaltig. Unions Ultras absolvierten in der Woche den Kotau vor der eigenen Vereinsführung. Zu tief sitzt dort der Stachel nach dem überflüssigen Scheinplatzsturm und den nachfolgenden Schlägereien in Schweden. Seit Stockholm wissen wir: Union-Fans sind keine besondere Spezies, sondern ganz normale Fans. Ein kleiner Prozentsatz unter ihnen entehrt unseren Fußball und wird künftig die Spiele nicht mehr live erleben. Auch Dynamo Dresden ist vor diesem Prozentsatz nicht gefeit. Gerade erst verhängte der DFB 15.000 Euro Strafe wegen diverser Vergehen der Dresdner Fans in Bielefeld. Das Abbrennen von Pyro und Rauchbömbchen sind nun mal in unseren Stadien verboten. Eine große Mehrheit der Fans in den Stadien trägt diese Entscheidung mit. Liebe Ultras, in Sachen Pyro findet ihr keinen Konsens mit DFB und DFL. Bockig tun kann jeder, seid kreativ und fordert das Mögliche!

1000 Polizisten sollten den Kick am Samstag im Stadion an der Alten Försterei beschützen. Wahrscheinlich wollten, nach streng geheimen Polizeiinformationen, tausende unter den Drogen dieser Welt stehende Unioner und Dynamo-Fans alles kurz und klein schlagen. Die kranken Durchbrecher aller Schranken. Aus den Laboren der NSA drahteten die Analysten Botschaften des Schreckens nach Deutschland. Der Begriff des Fußballkriegs. Was ist, wenn Sachsen und Preußen zu den Waffen greifen? Die Bevölkerung muss beschützt werden. In der Einsatzzentrale verschoben ernste Männer ihre Truppen. Stolze Polizisten auf Motorrädern gaben Gummi. Hubschrauber durchsichelten die Luft. Wasserwerfer pflügten den Köpenicker Wald. Die Fußtruppen ölten ihre Schlagstöcke zum letzten Gefecht.

Die Folge? Endlose Staus. Genervte Anwohner und Ausflügler saßen in der Köpenicker Todesfalle. Dresdner und Berliner mussten getrennt werden!

Die Dresdner Sonderzugfahrer bestiegen brav ihre streng bewachten Shuttlebusse, die sie vom S-Bahnhof Spindlersfeld zum Stadion brachten. Dynamos aktive Fanszene kam mit Kleintransportern und marschierte einigermaßen geschlossen ins Stadion. Irgendwie schafften es die geneigten Zuschauer, pünktlich zum Anpfiff da zu sein. Was machten eigentlich die 1000 Polizisten während des Spiels?

Dresden hatte kurz vorm Spiel zum x-ten Mal den Geschäftsführer entlassen. Sportdirektor Menze gleich mit. Rätselhafter Fußball. Der Dresdner Mannschaft verlieh die Bescheidenheit der fußballerischen Umstände Flügel. Sie hätte locker die Punkte aus Berlin mitnehmen können. Tat es aber nicht.

Auf Unions neuer Tribüne trafen sich Berliner und Dresdner bei den teuren Plätzen wieder. Dort stand keine Polizei bereit, um die angeblich verfeindeten Fangruppen zu trennen. Sie saßen friedlich beisammen. Einfach so. Ein buntes Durcheinander der Farben schwarz-gelb und rot-weiß. Wieso schlugen die Leute sich nicht auf den Mund, wo ihre Beschützer sie nicht davon abhielten? War das etwa ein Plädoyer freier Geister? Die gibt´s doch nicht beim Fußball! Wo jeder für sich sein kleines Vereinsmütchen kühlt. Alle wollen gern anders als die Anderen sein, sind aber im tiefsten Herzen poplige Krämerseelen. Auch ich hockte zwischen Dresdnern und Berlinern. Sitzen ist angeblich für'n Arsch. Wenn ich mit meinem sitzenden sächsischen Nachbarn über Fußball streiten kann, ohne von ihm eine dicke Lippe verpasst zu bekommen, bzw. irrtümlich von einem mich beschützenden Polizisten eine dicke Lippe verpasst bekomme, sitze ich gern. Sind Sitzplatzbesucher die unschädlicheren Fans? Stimmt hier irgendwas nicht? Ich glaube schon.

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