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Ein Demonstrant auf der Demo Hooligans gegen Salafisten.

© rtr

Willmanns Kolumne: Sorgen um die Hools

Sie wollen doch nur ihre persönliche Freiheit, doch stattdessen werden sie nun vom Salafismus bedroht. Unser Kolumnist Frank Willmann fragt sich in gewohnter Manier: Muss man sich ernsthaft Sorgen um die Zukunft der armen deutschen Hooligans machen?

Können deutsche Hooligans lügen? Fragte sich der eine oder andere konsumbereite Passant letzten Sonntag in Köln, als knapp fünftausend sogenannte Freunde der 3. Halbzeit gegen Salafisten zu demonstrieren gedachten. Ein Gespenst geht um im Kernland von Dieter Bohlen und Angela Merkel, es ist das Gespenst des Salafismus. Was soll ich euch sagen, etliche der indignierten Demonstranten schienen einigermaßen verwirrt von der schier übermächtigen Größe ihre Aufgabe. Die Gefahr für deutsche Mütter, deutsche Maiden und deutsches Bier war nie größer als heute. Schon bald werden bärtige Männer mit gewetzten Messern auf den Friedrich-Ebert-Straßen Deutschlands im Blut unschuldiger deutscher Kinder baden.

Die Kunst, ein möglichst gewalttätiges Leben zu führen, beherrschen laut Polizei und Verfassungsschutz nicht mal fünf Prozent aller Fußballfans. Haben wir hier ein Gewaltproblem? Muss man sich ernsthaft Sorgen um die Zukunft des deutschen Hooliganismus machen? Der deutsche Durchschnittshooligan verbringt die Woche am liebsten auf Arbeit. Am Wochenende möchte er gern atemlos durch die Nacht ziehen und sich mit seinesgleichen auf den Mund hauen. Diese deutschen Sitten und Bräuche sieht er nun ernsthaft bedroht. Er will nur seine persönliche Freiheit. Und bekommt vielleicht Salafismus. Selbst die sportlich-rechte Modemarke Thor Steinar soll inzwischen einem illegitimen Wanst Gaddafis gehören. Da kann einem angst und bange werden.

Strenge Sitten (meine Freundin darf meine Jacke halten, wenn’s hart auf hart kommt), klare Etikette (Respekt, Treue), althergebrachte Werte (einer für alle) und Traditionen (staatlich verfolgter Hooligans seit xyz) bestimmen sein Handeln. Die flinke Schelle ist wichtiger als der Führerschein, und aufs Maul boxen lernt man nicht in der Tanzschule, sondern beim dreckigen Straßenkampf mit anderen jungen Heißspornen.

Hooligans mag kaum ein Mensch. Der deutsche Durchschnittsmichel geht ihnen oft und gern aus dem Weg, dem Schutzmann ist der Hooligan weiches Ziel und den Vertretern der Wursterei, äh Juristerei, ist er täglich Brot. In den 80ern und 90ern hatten sie ihre große Zeit. Die Gosse spülte sie via England in die Eigenheime zwischen Elbe und Donau. Im Mutterland der Fußballschubsviecher trifft man sie kaum noch in den Stadien an. Eintrittspreise von 70 Pfund aufwärts sind zu viel für das schmale Portemonnaie des englischen Durchschnittsrülps. Die armen Dinos der Stehränge beobachten die Spiele „ihrer“ Clubs im Pub oder im heimischen Castle. Es ist auch ein wenig traurig, diese stiernackigen Kampfhähne nicht mehr auf den Stehrängen zu hören. Ihre wilden, unkoordinierten Gesänge voller Hass und/oder triefender Ironie. Früher war nicht alles schlecht.

Im stromlinienförmigen Fußball der Gegenwart ist für sie kein Platz mehr. Die alten Zausel um die 50 hocken in prekären Verhältnissen. Zukunft war vorgestern, nur die guten alten Stammtischparolen in Schwarzweiß-Sprech haben in den bildungsfernen Schichten nach wie vor Konjunktur. Zwar sind die Eintrittspreise in Deutschland noch erschwinglich, doch die führende Stellung im öffentlich wahrgenommenen Rabaukenranking haben die Hools auch in Deutschland längst an die Ultras verloren. Momentan bestimmen die Ultras bei allen großen Vereinen das Geschehen, die Masse der stetig nachwachsenden Fans ist politisch in der Mitte angesiedelt, bzw. uninteressiert.

Salafisten sind noch unbeliebter im Volk. Und im Vergleich mit Hooligans für den deutschen Staat und seine Repräsentanten sicher das größere Übel. Sie sind eine Gefahr für unsere pluralistische Gesellschaft. Diese streng geheime Info muss irgendwie die Hooligans erreicht haben. Hooligans empfinden sich als gute Deutsche und Patrioten. Aus diesem Grunde haben sie das Wort pluralistisch durch deutsch ersetzt. Das möchten sie gern öffentlich zum Ausdruck bringen. Deshalb Deutschlandgeschrei, Fähnchenwedeln, Salafisten raus. Im allgemeinen Durcheinander unser Zeit (Chemtrail, Ken & Xavier) suchen sie nach einfachen Antworten auf komplizierte Fragen. Da hilft manchmal nicht nur ein Hut aus Aluminiumpapier. Um atemlos durch die Nacht ziehen zu können, braucht es in erster Linie salafistenfreie Gegenden. Darum müssen alle Salafisten aus des Hooligans deutscher Heimat entfernt werden, ehe es zu spät ist, sie unsere deutschen Herzen stehlen und Döner daraus machen.

Was passiert, wenn Idioten auf Idioten treffen, kann man nicht nur im Postillion bestaunen, es findet tagtäglich auf den Straßen Deutschlands statt. Obwohl bei weitem nicht alle Hooligans das Herz auf dem rechten Fleck haben und ihren Kopf ausschließlich zum Biertrinken benutzen, kam der sonntägliche Zug bräunlich dumpf rüber. Das lag sicher nicht an den bösen Mainstreammedien, sondern an der ausgewiesenen Dödeldichte der demonstrierenden Hooligans. Unter denen befanden sich einfach zu viele bekannte rechte Kameraden, deren fiese Visagen in unzähligen der sogenannten sozialen Netzwerke zu bewundern waren.

Warum die Demonstration nach wenigen Minuten abgebrochen wurde, ist nicht genau zu verifizieren. Polizeiberichten ist nur bedingt zu trauen, da unsere deutschen Ordnungshüter gar selten eigene Fehler zugeben und den schwarzen Peter grundsätzlich den Demonstrierenden zuschieben. Trotzdem scheinen die Polizeistrategen recht schlampig agiert zu haben. Wie sonst konnte es in übersichtlichem Gebiet zu solchen Gewaltorgien kommen? 2000 schwer gewappnete Polizisten sollten doch eigentlich 6000 weiche Ziele in den Griff bekommen. Wie konnten ihnen ein paar hundert Gewalttäter dergestalt die lange Nase zeigen? Nichtdestotrotz waren etliche Hools nach der Demo unzufrieden. Schlechte Absprachen untereinander, der Auftritt streitsüchtiger, besoffener Möchtegernhooligans, denen die gemeinsame Sache egal war, die angeblich böse Polizei mit ihren Provokationen.

Aufregung allerorten. Die liebe Politik meldete sich auch zu Wort. Forderungen wurden laut, wie es im Journalistensprech so schön blöd heißt. Billige Polemik als erwartbarer Tagesordnungspunkt Nummer 1. Mächtiges Rütteln an der Versammlungsfreiheit und dem Demonstrationsrecht, staatliche Regulierung von FB und Twitter & Co, am besten Entzug der Bürgerrechte, Propaganda vom feinsten. Was tun? Ignorieren und mit der Minderheit leben. Dumpfen Pöbel wird’s immer geben, schauen wir auf die vielen positiven Geschichten. Kürzlich schmückten beispielsweise feiste Banner die legendenumwobene Dortmunder gelbe Wand: Nazis verjagen, Refugees welcome. Das ist mein Fußballland. Meinetwegen auch mein Fußballdeutschland.

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