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Nicolas Kiefer

© ddp

Wimbledon: Aufschlag ohne Ziel

Für die deutschen Tennisspieler geht es in Wimbledon lediglich darum, den Anschluss nicht zu verpassen.

Plötzlich reißt die dunkle Wolkendecke auf und die ehrwürdige Tennisanlage an der Church Road erstrahlt im warmen Sonnenlicht. Sofort strömen die Spielerinnen und Spieler aus allen Richtungen auf die leeren Trainingscourts. In Wimbledon ist jede Minute ohne Regen kostbar. Dicht gedrängt absolvieren sie ihr Programm, doch niemand beschwert sich. Die Stimmung derer, die artig auf einen freien Court warten, ist locker und gelöst. Man hat sich an die Gegebenheiten gewöhnt und um am wichtigsten Turnier des Jahres teilzunehmen, werden Beschwerlichkeiten stillschweigend hingenommen. Mittendrin im Getümmel nutzen auch Nicolas Kiefer und Thomas Haas die Gunst der Stunde zum Training.

Vor Beginn der englischen Traditionsveranstaltung gibt es bei den beiden Deutschen leichte Entwarnung. „Ich fühle mich besser“, sagt Haas, der aufgrund von Schmerzen in der Schulter seit dem Masters in Rom Anfang Mai kein Match mehr bestreiten konnte. „Mal sehen, ob die Schulter auch fünf Sätze durchhält.“ Zumindest im Trainingsduell mit Justin Gimelstob wirkt der 29-Jährige nicht gehandicapt und entspannter als gewöhnlich. Er tauscht mit dem Amerikaner aber nicht nur lockere Sprüche, sondern holt sich vor allem nützliche Tipps über seinen Erstrundengegner Zack Fleishman, gegen den Haas zum ersten Mal antritt. Weiter als in die dritte Runde schaffte es Haas in Wimbledon nie, nun würde im Achtelfinale der viermalige Titelträger Roger Federer warten. Ohne Matchpraxis muss der 13. der Setzliste wohl auch darauf hoffen, dass ihm diese Zahl das nötige Quäntchen Glück bringen wird.

Ein weit größeres Defizit an Wettkampferfahrung als Haas hat Kiefer nach seiner zwölfmonatigen Zwangspause. „Es ist ein schönes Gefühl, wieder dabei zu sein“, sagt Kiefer, der in der ersten Runde den Italiener Filippo Volandri bezwingen muss. „Mir ist egal, wer mein Gegner ist. Ich versuche, Spaß zu haben und Vollgas zu geben. Das Feuer brennt wieder in mir, aber ich weiß, dass ich eigentlich nichts erwarten kann. Ich muss alles langsam wieder aufbauen“, sagt er.

Während Haas und Kiefer in Wimbledon um den Anschluss kämpfen, könnte nach der schwachen Vorstellung bei den French Open nun auf Rasen die Stunde der jungen Spieler schlagen. Philipp Kohlschreiber musste beim Vorbereitungsturnier in s’Hertogenbosch zwar mit Schmerzen in der Schulter aufgeben, doch die Schrecksekunde hat der 23-Jährige überwunden, der es mit dem Franzosen Florent Serra zu tun bekommt. Auch Florian Mayer könnte nach der kleinen Formkrise auf Sand der Befreiungsschlag gelingen. Vor drei Jahren stand der 23-Jährige im Viertelfinale von Wimbledon. Ob ihm das erneut gelingt? „Wenn ich grünen Rasen sehe, dann fühle ich mich immer wohl. Paris ist abgehakt“, sagt Mayer. Benjamin Becker hofft derweil auf das gute Omen, denn wie im Vorjahr muss sich der Saarländer mit Juan Ignacio Chela aus Argentinien messen und wieder soll ein Sieg dabei herausspringen. Aber etwas wird dennoch anders sein. Becker: „Jetzt geht auch in Wimbledon niemand mehr enttäuscht vom Court weg, wenn er merkt, dass nicht Boris, sondern ich das Match bestreite.“

Die deutschen Frauen wie Anna-Lena Grönefeld, Martina Müller und Julia Schruff stecken entweder in persönlichen Krisen, können ihre Form bei wichtigen Turnieren nicht abrufen oder haben ihr Leistungspotenzial schlicht ausgeschöpft. Insgesamt sieben Frauen und sieben Männer stehen im Hauptfeld und für viele von ihnen gilt wohl auch Grönefelds Motto: „Ich habe kein konkretes Ziel. Ich will einfach schauen, wie es läuft.“

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