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Applaudieren erlaubt. Für Sabine Lisicki und die deutschen Tennisprofis läuft es bislang in Wimbledon sehr gut. Foto: dpa

© dapd

Wimbledon: Deutsche Tennisprofis so gut wie lange nicht

Die deutschen Tennisprofis sind in Wimbledon so stark wie seit 1995 nicht mehr – auch die Männer überzeugen endlich wieder einmal.

Das Match war beendet, und Lukas Rosol stellte sich in die Mitte des Platzes. Er breitete die Arme aus und ließ sich minutenlang von den gut eintausend Zuschauern bejubeln, die im Grunde nur seinetwegen zum Court No.12 gekommen waren. Man hätte meinen können, dass der Tscheche, der in der Runde zuvor als Nobody für das sensationelle Aus von Rafael Nadal gesorgt hatte, gerade ins Achtelfinale von Wimbledon eingezogen war. Aber Rosol hatte glatt verloren, gefeiert wurde er jedoch wie ein Held. Er zückte einen Stift und schrieb ein paar Dutzend Autogramme, bevor ihm zwei Sicherheitskräfte den Weg durch die Menge bahnten. Philipp Kohlschreiber indes hatte still seine Schlägertasche gepackt, kletterte über einen Zaun an der Längsseite des Platzes und verschwand unbemerkt im Getümmel. Dabei war er es doch, der so gut gespielt und sich überhaupt nur fünf Fehler im ganzen Match erlaubt hatte, dass er sich mit Recht hätte bejubeln lassen dürfen.

„Es war etwas seltsam“, erklärte Kohlschreiber, „ich habe noch nie erlebt, dass der Verlierer so gefeiert wird. Aber es galt wohl dem großartigen Turnier, das er gespielt hatte.“ Für Kohlschreiber ist dagegen die Rolle des Gewinners auf der großen Bühne noch ungewohnt, auch wenn er sie schon immer für sich eingefordert hatte. Fast schien er sich inzwischen daran gewöhnt zu haben, bei Grand-Slam-Turnieren meist nicht mehr als ein Statist gewesen zu sein, der hinter den Erwartungen zurückblieb. Doch Wimbledon könnte für den 28-Jährigen eine Wende bringen, die kaum noch zu erwarten war. Und mehr noch, neben ihm schafften es mit Sabine Lisicki, Angelique Kerber und Florian Mayer drei weitere deutsche Profis ins Achtelfinale des wichtigsten Turniers der Welt. Seit 1995 hatten die Deutschen in Wimbledon mit jeweils zwei Vertretern bei Frauen und Männern nicht mehr so gut abgeschnitten.

Aber während für die Frauen das Erreichen der zweiten Turnierwoche inzwischen fast schon zum Minimalziel geworden ist, waren ihre männlichen Pendants bei den vier Grand Slams in den letzten Jahren im Mittelmaß versunken. Einzig Tommy Haas hatte 2009 in Wimbledon mit seinem Halbfinaleinzug geglänzt, doch sowohl Mayer als auch Kohlschreiber, als hierzulande höchstplatzierte, scheiterten regelmäßig spätestens in Runde drei. „Wir haben uns vielleicht zu sehr unter Druck gesetzt“, vermutete Mayer, „die anderen haben es immer geschafft, mal über sich hinauszuwachsen - nur wir nicht.“ Vor allem er selbst hatte oft gezweifelt und war in den entscheidenden Phasen seiner Partien nervös geworden. „Es ist so bitter, wenn man die großen Chancen liegen lässt“, fügte die Nummer 29 der Welt hinzu. Dieses Mal aber, da hatten sie die Gunst einer guten Auslosung endlich genutzt. Und während es für Mayer nun gegen den starken Franzosen Richard Gasquet schwer wird, steht Kohlschreiber heute mit Brian Baker jenem Amerikaner gegenüber, der gerade erst nach sechsjähriger Verletzungspause auf die Tour zurückgekehrt ist. „Das ist eine riesige Chance für uns beide“, sagte Kohlschreiber, für den das Viertelfinale der größte Erfolg seiner Karriere und „unmenschlich geil“ wäre.

Die Erleichterung darüber, dass der Bann nun scheinbar gebrochen ist, war besonders Mayer anzusehen. Seit er bei seinem Debüt 2004 ins Viertelfinale von Wimbledon gestürmt war, kam er bei keinem Grand Slam mehr so weit. Und das seien schließlich jene Orte, an denen „man sich zeigen muss“. Gelungen waren Mayer die Erfolge eher abseits des Rampenlichts, so fand auch sein Sieg gegen Nadal im letzten Herbst kaum Beachtung. Aber die deutschen Herren haben ihr Schattendasein satt, erhoffen sich von ihren guten Auftritten einen Aufschwung für die heimischen Sand-Turniere in Stuttgart und Hamburg und die Davis-Cup-Relegation gegen Australien im September. Doch Kohlschreiber ist realistisch: „ARD und ZDF werden jetzt sicher nicht gleich morgen Sendezeiten wegen uns kaufen. Aber es ist ein Anfang.“

Über diesen ersten Schritt sind Kerber und Lisicki längst hinaus. Beide standen schon im Halbfinale eines Grand Slams (US Open und Wimbledon 2011), haben sich in der Riege der besten Spielerinnen inzwischen etabliert. Kerber als Weltranglistenachte sogar noch mehr, und nachdem die 24-Jährige in Paris erstmals den Druck einer Mitfavoritin auf den Titel gespürt hatte, traut sie sich auch auf dem Rasen des All England Clubs den großen Wurf zu. Möglich ist zumindest erst einmal der Viertelfinaleinzug für sie, denn die viermalige Grand-Slam-Siegerin Kim Clijsters quälte sich bisher durchs Turnier und wirkt nicht austrainiert. Im Herbst will die Belgierin ihre Karriere endgültig beenden. „Ich freue mich, dass ich nochmal gegen sie spielen darf“, sagte Kerber, „Kim war mein Idol, und ich habe ihre kämpferische Spielweise immer gemocht.“ Ein Kampf der besonders harten Art erwartet Lisicki gegen die Weltranglistenerste Maria Scharapowa. Nie konnte sie gegen die Russin gewinnen, auch wenn es zum Saisonbeginn in Melbourne eng war. Doch während Scharapowa derzeit vor Selbstvertrauen strotzt, ist Lisicki nach Verletzung und Formtief gerade erst wieder auf dem Weg zu alter Stärke. Dennoch sagt sie: „Die Kurve geht nach oben, und ich liebe diese großen Matches. Da bin ich am besten.“ Neuerdings gilt das auch für die Herren.

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