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Roger Federer feiert seinen Sieg gegen Daniel Evans bei Wimbledon.

© REUTERS

Wimbledon: Nur Roger Federer hat Glück mit dem Wetter

Weil das Wetter in Wimbledon unberechenbar ist, sehen einige Spieler die Chancengleichheit gefährdet. Die Center Courts stehen in der Kritik.

Auf einen Schlag war es voll im All England Club. Vor den schwarzen Gittertoren von Wimbledon hatten sich am Sonntagmorgen bereits tausende ungeduldige Fans versammelt, die sich die vielleicht einmalige Chance nicht entgehen lassen wollten, Einlass ins für viele fast schon heilige Tennis-Mekka zu bekommen. 22 000 Glückliche hatten am Samstag online ein Ticket für den sonst traditionell spielfreien „Middle Sunday“ ergattert, innerhalb von 27 Minuten war alles ausverkauft. Eine Karte für den berühmtesten Centre Court der Welt und das für 70 Pfund – ein Gefühl wie ein Sechser im Lotto. Einfach online sind die Eintrittskarten für den altehrwürdigen Club sonst nie zu haben. Dafür muss man normalerweise in der berühmten „Queue“ stundenlang Schlange stehen und für einen Sitzplatz auf dem Centre Court gar die Nacht vorher in der Menge der Wartenden zelten.

Nach anhaltendem Schauerwetter hinkt man unaufholbar hinterher

Und so hatten sich die hartgesottenen Camper am Sonntagmorgen auch längst ihre Zeltplätze für die besten Tickets für den Achtelfinaltag am Montag gesichert, noch bevor der Club am Morgen um 8.45 Uhr die Tore öffnete. Da alle Zuschauer für den „Middle Sunday“ bereits ihre Eintrittskarte in der Tasche hatten, verteilte sich der Andrang nicht wie sonst gemäßigt auf die Schlange – die 22.000 strömten wie beim Schlussverkauf gleichzeitig im Pulk in den Club. Und die meisten bestaunten alles erst einmal mit großen Augen. Tradition, wohin man schaut. Die Spieler jedoch waren auf das sture Brauchtum nicht gut zu sprechen. Es gab Gemurre. Manche würden nach dem bisher chaotischen Turnierverlauf bevorteilt werden.

Der „Middle Sunday“ wurde ja auch nur aktiviert, da man nach anhaltendem Schauerwetter uneinholbar im Spielplan hinterher hinkte. Vor zwölf Jahren wurde dort zuletzt gespielt, überhaupt erst zum dritten Mal in der Turniergeschichte (1991, 1994 und 2004). Der Club verteidigt seine Sitten vehement, doch dieses Mal gab es keine Alternative. Am Freitagabend hatte einzig Roger Federer das Achtelfinale erreicht – und das nur, da der siebenmalige Wimbledonsieger seine Matches allesamt unter dem überdachten Centre Court spielte.

Unfaire Wetterbedingungen fordern Energie

Alexander Zverev dagegen hing am Samstag noch in seiner Zweitrundenpartie gegen Michail Juschni fest und musste Sonntag zum nächsten Match gegen Tomas Berdych ran. „Natürlich ist das nicht schön, wenn Roger schon in der vierten Runde steht und ich noch nicht mal meine zweite beendet habe“, monierte der 19-jährige Hamburger, „er hat jetzt zwei Tage frei, und ich spiele vier Tage durch, wenn ich gewinne. Das wird physisch ganz schön schwer.“ Zverev hatte das Regendebakel voll erwischt. Seine Auftaktpartie gegen Paul-Henri Matthieu zog sich von Dienstag bis Mittwoch, die zweite Runde mit mehreren Unterbrechungen von Freitag bis Samstag. Am Sonntag war der Akku dann leer, Zverev unterlag dem Tschechen 3:6, 4:6, 6:4, 1:6.

„Das zieht so viel Energie, diese Warterei und das ständige Spannunghalten“, beklagte auch die zweimalige Wimbledonsiegerin Petra Kvitova. Die Tschechin traf es besonders hart, sie beendete ihre Zweitrundenpartie erst am Samstagabend. Da waren etliche Konkurrentinnen wie Angelique Kerber schon mit ihren Drittrundenpartien noch vor ihr angesetzt gewesen. „Was soll man machen?“, fragte Kvitova, die ausschied, „da kann man doch nur noch lachen.“

An Tradition und TV-Verträgen wird nicht gerüttelt

Kritik kam auch an der ineffektiven Ausnutzung des Centre Courts auf. Trotz der schlechten Wetterlage begannen die Matches dort unter der Woche erst um 13 Uhr Londoner Zeit. An Tradition und TV-Verträgen wird einfach nicht gerüttelt. Am Sonntag durften Annika Beck und Zverev dann auf dem Centre Court spielen – bei strahlendem Sonnenschein. Beck schied mit 3:6 und 0:6 gegen Serena Williams aus. Federer trainierte derweil 100 Meter Luftlinie entfernt im Aorangi Park und hatte seine zweijährigen Zwillingssöhne wie beim Familienausflug dabei. „Ich verstehe die Frustration von manchen Spielern“, sagte Federer, „aber ich habe es eben meinen Erfolgen der letzten Jahren zu verdanken, dass ich auf dem Centre Court oder Court 1 angesetzt bin.“ Alles ginge mit rechten Dingen zu und manchmal brauche man eben auch etwas Glück. „Das ist doch nicht mein Fehler. Und die beiden freien Tage kann ich gut gebrauchen, ich bin schließlich ein alter Mann“, sagte der 34-Jährige augenzwinkernd. So gut gelaunt sind in Wimbledon dieser Tage nur wenige.

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