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Winterträume: Die ultimative Freiheit

Warum Snowboarden für Christophe Schmidt Lebenseinstellung und Kreativität bedeutet.

Sich stundenlang durch eine einsame Loipe quälen, eine halbe Nacht an einer Rodelkufe feilen, mit 140 Stundenkilometern auf Skiern einen Steilhang hinunterjagen – was ist das Faszinierende am Wintersport? In unserer Serie vor den Olympischen Winterspielen schildern deutsche Wintersportler, welche Winterträume ihre Sportart erfüllt. Im letzten Teil erklärt der Snowboarder Christophe Schmidt, warum sein Sport Freiheit und Lebensstil verkörpert.

Die Olympischen Spiele sind für mich eine vollkommen andere Erfahrung, weil man da Kontakt zu normalen Leistungssportlern hat. Ich sehe mich auch als Leistungssportler, aber nicht in dem Sinne, wie er in vielen anderen Sportarten betrieben wird. Der Trainingsalltag ist bei uns schöner, vielfältiger. Eine Kilometerknüppelei wie bei den Langläufern wäre für mich undenkbar. Jeden Tag im gleichen Fitnessstudio zwei, drei Stunden trainieren, dann soundso viele Kilometer in der Loipe abspulen – das würde ich nie zehn Jahre durchhalten. Das ist für mich wie ein langweiliger Bürojob. Aber vielleicht stimmts ja gar nicht.

Im Snowboarden spielen Freiheit und Lifestyle eine große Rolle. Für mich ist die Essenz des Snowboardens ein Tag im Tiefschnee wie am Donnerstag in meinem Heimatgebiet Spitzingsee. Das mache ich noch lieber als Trainieren. Solche Tage sind selten, es gibt nichts, was mehr Spaß macht. Ich habe gelesen, dass Amelie Kober in ihrer Freizeit Skifahren geht, Snowboarden hingegen sei ihr Beruf, hat sie erklärt. Das fand ich ziemlich schockierend. Bei mir ist das ganz anders, aber das zeigt auch den Unterschied zwischen ihrer Snowboard-Disziplin, Alpin, und meiner, Freestyle.

Ich fahre Snowboard, seit ich elf Jahre alt bin, ich habe meinen Ehrgeiz nur, weil ich so einen Riesenspaß an der Sache habe. Wenn ich den verlieren würde, würde ich keinen einzigen Wettkampf mehr machen. Snowboard ist für mich Lebenseinstellung. Für mich es eine ganz besondere Freiheit, weil ich es zu meinem Beruf machen konnte. Quasi die ultimative Freiheit.

Beim Freestyle sind Kreativität und Stil das Besondere. In der Halfpipe kann man fünf oder sechs Sprünge aneinanderreihen und dabei seinen Stil rüberbringen. Jeder Sprung wird von einer anderen Person anders ausgeführt. Das ergibt einen Riesenunterschied – wenn man sich auskennt. Das ist für Außenstehende vielleicht schwer zu verstehen. Ich lege bei meinen Sprüngen eher Wert auf die perfekte Ausführung als auf den höchsten Schwierigkeitsgrad. Das wird im Wettkampf manchmal nicht belohnt.

Ich habe mich erst im letzten von vier Wettkämpfen für Olympia qualifiziert. Ich hatte mich ja im letzten Winter Anfang Januar verletzt. Jetzt habe ich mich nach und nach gesteigert und bin jetzt fitter als am Anfang der Saison. Ich wäre zufrieden, wenn ich ins Finale kommen und meinen achten Platz von Turin verbessern kann. Was ich in Cypress Mountain zeigen werde, weiß ich noch nicht, das entscheide ich vor Ort. Man hat sein festes Repertoire, aus dem man einen Lauf bildet. Das ist bei jeder Pipe verschieden, die unterscheiden sich doch relativ stark. Wir haben fünf Tage Zeit, uns auf die Pipe in Cypress Mountain einzufahren. Dann sehe ich: Welche Wand liegt mir wo besser oder von welcher Seite fahre ich rein.

Einer meiner Lieblingssprünge in der Halfpipe ist der Front-Side 720. Dabei kann man langsam drehen und viel Style reinbringen. Beim Sprung bekommt man auch von der Außenwelt was mit. Wenn die Zuschauer schreien oder der Fotograf blitzt. Aber man bleibt konzentriert.

Natürlich gibt es auch Momente, an denen mir mein Sport nicht Spaß macht. Im Wettkampfgeschehen kommt das automatisch. Man muss seine volle Leistung auch an Tagen abrufen, an denen man normalerweise nicht fahren würde. Weil die Piste wahnsinnig eisig ist oder das Wetter fatal.

Schlechtes Wetter heißt für mich Wind oder Sturm, das alles macht das Snowboarden gefährlich. Weil man in den Sprüngen anfällig für Winde ist. Schlechte Sicht kann auch problematisch sein. Aber mit so etwas muss man sich im Profisport abfinden.

Die Punktrichter sind auch ein großer Nachteil im Freestyle-Snowboarden. Ein komplett fairer Wettkampf existiert nicht, aber im Eiskunstlaufen ist das auch nicht anders. Im Endeffekt muss man sich damit abfinden, es ist halt so. Einmal hat man Pech, einmal hat man dann Glück. Das hebt sich auf. Wenn man das lange macht, merkt man, dass diese Formel auch stimmt.

Aufgezeichnet von Benedikt Voigt. Bisher sind in unserer Serie erschienen: Langläufer René Sommerfeldt über Naturerfahrungen (28.1), Abfahrer Stephan Keppler über Geschwindigkeit (31.1), Eistänzerin Christina Beier über Kunst (3.2.) und Bobfahrerin Cathleen Martini über Perfektion (5.2.).

Christophe Schmidt

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