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Sport: „Wir haben nichts dazugelernt“

Sportsoziologe Digel über Doping und Medizin

Herr Digel, was bedeutet der Fall Birgit Dressel für den Sport?

Er ist ein Mahnmal in der Geschichte des Hochleistungssports, weil ihr Tod in Verbindung zu bringen ist mit einer Übermedikamentierung. Der Fall zeigt, dass die Beziehung zwischen Medizinsystem und Sport nicht funktioniert.

Warum nicht?

Jungen Menschen werden von Ärzten Medikamente gegeben, deren Wirkung nicht gesichert ist. Das Medizinsystem gehört dringend auf den Prüfstand bezüglich der Betreuungsleistung von Athleten. Auf dieses Medizinsystem haben die Sportverbände nur begrenzt Einfluss.

Wie haben Sie Birgit Dressel erlebt?

Ich habe sie als eine weltoffene, interessierte Studentin kennengelernt. Man sollte sie auch jetzt nicht diskreditieren, sondern sich an die medizinischen Fakten halten. Wichtiger als die Klärung von Schuldfragen ist ohnehin: Gibt es diese Gefahren für Athleten nach wie vor? Sind wir heute auf einem höheren Niveau angekommen? Die Antwort lautet: Wir haben nichts dazugelernt seit damals.

Können Sie sich erklären, warum sich eine intelligente Frau wie Birgit Dressel trotz großer Schmerzen immer weiter quälte?

Die Anlage der Athleten zum Verdrängen von Schmerzen und Gewissensbissen ist vorhanden. In manchen Sportarten gehört Voltaren heutzutage schon zum Mindesten, was Spieler oder Athleten einnehmen. Dass dies mittelfristig der Gesundheit schadet, weiß jeder. Der Leistungssport ist gewiss nicht eine Einrichtung zur Gesundheitsprävention.

Was kann man aus dem Fall Dressel für die Dopingbekämpfung lernen?

Beim Doping wird der Athlet in eine Haltung gedrängt, die er nicht zu verantworten hat. Ob er aber dopt oder nicht, ist letztlich seine eigene Entscheidung. Die Frage ist nun: Wie kann man verhindern, dass Athleten in eine Gefährdungssituation kommen? Wir müssen daher genau den Punkt untersuchen, an dem der Athlet die Grenze des Zulässigen überschreitet. Und wir müssen den Athleten viel besser aufklären. Wir haben in der Prävention keine Fortschritte gemacht. Und positive Modelle fehlen uns auch.

Die Fragen stellte Friedhard Teuffel.

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