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Sport: „Wir waren nicht aktionistisch“

Rainer Koch, Vorsitzender Richter im Sportgericht und DFB-Funktionär, über den Wettskandal

Herr Koch, sehen Sie anders Fußball als früher?

Wegen des Wettskandals? Nein. Ich war nie der Auffassung, dass Manipulationen nicht auch vereinzelt passieren können. Warum soll der Fußball nicht Schwächen haben wie der Rest der Gesellschaft?

Sie waren selbst mal Schiedsrichter. Hat Sie der Fall Hoyzer überrascht?

Ja. Ich habe knapp 1000 Spiele gepfiffen. Damals gab es höchstens Gerüchte, dass Amateurspielern für einen Sieg ein Bier ausgegeben werden sollte.

Herr Koch, Sie sind Vorsitzender des Sportgerichts des Deutschen Fußball-Bundes. Nun müssen Sie den größten Schiedsrichter-Skandal des Landes aufarbeiten.

Als Richter bin ich auf nahezu alles gefasst. Der Skandal ist schlimm. Aber er betrifft nicht nur Schiedsrichter, sondern auch Spieler und vor allem kriminelle Wettzocker. Wir von der Sportgerichtsbarkeit müssen das Problem aufklären, aber auch darauf achten, dass Schiedsrichter nicht pauschal verurteilt werden.

Wo hält sich Robert Hoyzer zurzeit auf?

Ich weiß es nicht.

Wie erreichen Sie ihn?

Über seinen Anwalt. Das reicht mir.

Was ist außergewöhnlich am Fall Hoyzer?

Er betrifft Sachverhalte, die in den Statuten des DFB nicht ausdrücklich normiert waren. Es gibt keinen klaren Einspruchssachverhalt der Spielmanipulation.

Und das wird jetzt beim Bundestag des DFB am Donnerstag in Mainz geregelt?

Ja. Die Anträge setzen die vom Sportgericht entwickelte Rechtssprechung um.

Das heißt, Sie passen durch Ihre Sprüche die Regeln des DFB der neuen Realität an?

Es gibt zwei Rechtssysteme auf der Welt, den sich auf Gesetze stützenden kontinal-europäischen und den auf Fallrecht basierten anglo-amerikanischen Rechtskreis. Dort hat man nie Gesetze formuliert, weil man der Meinung ist, dass man nicht alle Sachverhalte exakt festlegen kann. Darum hangeln sich Richter von Fall zu Fall. Beim Wett- und Manipulationsskandal mussten wir ähnlich handeln.

Welche Grenzen hat ein Sportgericht?

Wir sind keine Gerichtsbarkeit im strafrechtlichen Sinne. Wir machen Vereinsverwaltungsrecht. Das Sportgericht entscheidet Streitigkeiten der Mitglieder untereinander und verhängt Strafen. Solange man Mitglied in einem DFB-Verein ist, unterwirft man sich dessen Statuten.

Herr Hoyzer versuchte das zu umgehen, indem er bei Hertha BSC austreten wollte.

Er wollte das von Hertha angestrengte Vereinsausschlussverfahren abkürzen. Seine Absicht war nicht, sich der Sportgerichtsbarkeit zu entziehen. Er will mit einem umfassenden Geständnis reinen Tisch machen. Das Kalkül seiner Anwälte scheint zu sein, so besser aus dem Strafverfahren herauszukommen. Es ist gut möglich, dass diese Rechnung aufgehen wird, wenn er im Sommer in Berlin vor einem Strafrichter erscheinen muss.

Warum ist Robert Hoyzer glaubwürdig?

Für eine Beweiswürdigung gibt es klare Kriterien: keine Widersprüche, vollständige Aussagen. Hoyzer hat alles allein erzählt, hat deutlich Dinge aus eigener Beobachtung geschildert. Zu dem Eindruck scheint mir auch die Berliner Staatsanwaltschaft und die dortige Ermittlungsrichterin gekommen zu sein.

Hoyzer hat erst geredet, als der Betrug aufzufliegen drohte.

Dass Täter erst dann geständig werden, überrascht einen Richter nicht.

Er hat auch Bundesligaschiedsrichter Jürgen Jansen belastet.

Richtig, er hat aber betont, dass die Aussage auf Erzählungen anderer beruht. Spielmanipulationen durch Herrn Jansen sind vor dem Sportgericht nicht nachgewiesen worden. Sie sehen also: Wir stützen uns nicht nur auf Herrn Hoyzer.

Warum muss ein Verein nachweisen, dass manipuliert worden ist?

Weil im Grundsatz der Sieger eines Fußballspiels auf dem Feld ermittelt werden soll und nicht am grünen Tisch. Angesichts der Schwierigkeit des Nachweises haben wir den Grundsatz aber modifiziert: Wenn es Beweise gibt, dass vor einem Spiel manipuliert worden ist oder dass es Verabredungen gab, dann haben wir Beweiserleichterungen geschaffen.

Welche Ziele verfolgen Sie bei Ihren Verhandlungen?

Die Einspruchsverfahren sollen so abgewickelt werden, dass die Saison mit einer eindeutigen Abschlusstabelle zu Ende gebracht wird.

Gab es keinen Druck, vor dem Bundestag am Donnerstag fertig zu werden?

Wenn, dann habe ich mich selbst unter Druck gesetzt. Wir haben nicht aktionistisch agiert. Den Fall des Schiedsrichters Torsten Koop …

… der aus Sicht des DFB von Hoyzer ins Vertrauen gezogen worden war, aber den Verband nicht informierte …

Ja, den Fall hätte ich noch gern vor dem Bundestag abgewickelt. Aber weil sein Verteidiger Peter-Michael Diestel im Urlaub ist, verhandeln wir erst am Freitag.

Herr Diestel hat gedroht, den DFB zivilrechtlich zu verklagen.

Gedroht wird sehr oft.

Ist das nicht ein Angriff auf die Sportgerichtsbarkeit?

Über die Wertung eines Fußballspiels muss immer noch der DFB entscheiden – und zwar schneller, als dies staatliche Gerichte könnten. Auch für die Verhängung von Verbandsstrafen sind wir zuständig. Wenn jemand seine Rechte dadurch verletzt sieht, kann er vor einem staatlichen Gericht klagen. Ob dieses sich dann für zuständig erklärt, ist eine andere Frage. Die Sportgerichtsbarkeit muss eine eigene Linie entwickeln und darauf setzen, dass sie auf Akzeptanz stößt.

Herr Koop hält ein halbes Jahr Sperre für unangemessen, weil er einen offenbar angetrunkenen Herrn Hoyzer in einem Hotel etwas von Manipulationen murmeln gehört hat und das nicht gemeldet hat.

So mögen Sie argumentieren. Der Richter hört alle Seiten und entscheidet.

Welchen Anteil haben die vier Berliner Zeugen um Schiedsrichter Felix Zwayer an der Aufklärung des Skandals?

Ich bin kein Ermittler, Chefankläger ist Horst Hilpert. Wichtig ist, dass Fußball und Schiedsrichterwesen maßgeblich zur Aufklärung beigetragen haben.

Können Sie gegen Hilpert entscheiden?

Natürlich. Der Richter hat immer das letzte Wort. Wir sind aber in einem Verband, da muss nicht jeder Dissens öffentlich ausgetragen werden.

Herr Hilpert hat den Zeugen Zwayer als nicht glaubwürdig eingeschätzt.

Das ist rollenbezogen. Ich versuche, damit unaufgeregt umzugehen.

Zu Ihrer Rolle: Sie hatten eine Entscheidung zu treffen. Das Pokalspiel zwischen dem HSV und Paderborn in der ersten Runde war manipuliert. Aber es wurde nicht wiederholt, weil der Wettbewerb fortgeschritten war. Schmerzt es sie als Richter, dass ein Vergehen nicht gesühnt wird?

Um Sühne ging es in den Sportstrafverfahren gegen Herrn Hoyzer oder den Spieler Waterink. Bei Hamburg gegen Paderborn ging es um die Annullierung des Spielergebnisses. Hier entstand die Frage: Wie gehe ich mit einem Einspruch um, bei dem das Geschehen nicht wieder gut gemacht werden kann? Zunächst versucht er, den alten Zustand wiederherzustellen. Wenn das nicht geht, wird über Schadensersatz gesprochen. Wenn ich einen Pullover dreckig mache, kann ich ihn waschen. Wenn einem aber der Arm abgeschnitten wird, kann man den nicht wieder annähen. Manche Dinge lassen sich irdisch nicht wieder gut machen.

Mit wie vielen Beschädigungen geht der deutsche Fußball aus der Affäre hervor?

Es ist sicher nicht meine Aufgabe, die blauen Augen des Fußballs zu zählen.

Das Gespräch führten Robert Ide und Michael Rosentritt.

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