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Sport: „Wir werden in ein Loch fallen“

Bundestrainer Dirk Bauermann vor der Basketball-EM über die deutsche Nachwuchsmisere

Herr Bauermann, muss man Angst haben um die BasketballNationalmannschaft?

Wegen der Verletzungsprobleme? Es hilft uns nicht, wenn wir klagen, wie furchtbar das alles ist, auch wenn wir jetzt auch noch auf Ademola Okulaja verzichten müssen. Klar sind das nicht ideale Bedingungen vor dem Eröffnungsspiel am Freitag bei der Europameisterschaft gegen Italien. Aber das Schlimmste wäre jetzt Selbstmitleid.

Und auf lange Sicht? Was passiert nach 2008, wenn die meisten Spieler der Nationalmannschaft aufgehört haben werden?

Angst muss man davor nicht haben, aber es wird einen massiven Einschnitt geben. Wir werden in ein Loch fallen. Wir sehen ja, wie erfolgreich die führenden europäischen Basketball-Nationen momentan in der U18 oder U20 sind. Da kommen jedes Jahr zwei oder drei Nationalspieler raus, die mit 20 Jahren bereits in der Europaliga spielen. Es ist traurig, wie unser Nachwuchs da hinterherhinkt.

Wie erklären Sie sich das?

Unsere Talentsichtung ist beliebig. Da gibt es einen Aushang in der Schule, dass eine neue D-Jugend aufgemacht wird, und dann hofft man, dass sich einer meldet, der zwei Meter groß ist und mit dem Ball umgehen kann. Das ist kein Scouting.

Was muss sich ändern?

Wir müssen die Talente früh zum Sport holen, bereits in der dritten oder vierten Klasse. Nach der demografischen Wende kämpfen wir mit Handball, Volleyball und Fußball um immer weniger Kinder. Und wir müssen frühzeitig in die Persönlichkeitsentwicklung einwirken. Mit 16 bis 18 Jahren sind die Spieler in dieser Beziehung fertig. Nichts ist schwieriger, als einmal gefestigte Einstellungen zu Training und Autorität zu ändern.

Was ist so anders an dieser Jugend?

Die erreicht man nicht mehr mit der alten, lautstarken und autoritären Trainermentalität. Früher hatte Autorität noch mit Titeln und Erfahrung zu tun. Jetzt muss man sich die Autorität als Trainer immer wieder neu erarbeiten.

Woran merken Sie das?

Es gibt da zum Beispiel eine Geschichte aus einer Jugendnationalmannschaft: Knappes Spiel, der Trainer nimmt kurz vor Schluss eine Auszeit, in der er hektisch ein paar Anweisungen ruft. Da sagt plötzlich einer seiner Jungs: Hey, bleib doch cool Alter, wir schaukeln das schon.

Haben Sie selber auch so etwas erlebt?

Neulich hatte ich ein Gespräch mit einem Nachwuchsspieler, ob er umziehen soll. Ich fragte ihn: Wie weit wohnst du momentan von der Halle entfernt. Er sagte: sieben Lieder. Das meine ich mit der neuen Generation. Da muss man sich als Trainer anpassen.

Wie machen Sie das?

Indem man das Autoritäre lässt und zum Beispiel die Leute nicht vor versammelter Mannschaft abkanzelt. Respekt ist eine wichtige Geschichte für diese Jugend. Mit autoritären Maßnahmen verliert man die gleich.

Bleibt festzuhalten, dass es wenig guten Nachwuchs gibt in Deutschland. Und ausgerechnet jetzt hebt die Bundesliga auch noch die Ausländerbeschränkung auf?

Die Globalisierung ist gut für die Vereine, aber nicht für die Nationalmannschaft. In anderen Ländern haben einheimische Spieler einen anderen Stellenwert. Das habe ich in Griechenland erlebt, als ein Präsident zu mir sagte: Die Fans wollen drei Griechen sehen, sonst hängen sie mich auf. Hier ist es egal, ob drei Deutsche auf dem Feld stehen – oder gar keine.

Was sind die Folgen der neuen Regelung?

Deutsche Spieler treten in den Wettbewerb mit Europäern und Amerikanern. Vor allem in den USA gibt es unendlich viele, die für kleines Geld spielen. Da denken sich die Klubs, bevor ich mir einen teuren Deutschen hole, hole ich mir lieber irgendeinen Aufbauspieler aus den USA. Der ist billig, weil er sonst Kaugummis in New York verkaufen würde.

Sie sind doch auch Vereinstrainer beim Deutschen Meister Bamberg. Keiner hindert Sie daran, mehr Deutsche einzusetzen.

Es gibt Marktmechanismen, die das schwierig machen. Wenn ich als Vereinstrainer erfolgreich sein will, muss ich den Weg mitgehen. In den meisten anderen europäischen Ligen hingegen gibt es einen Schutzraum für die eigenen Spieler.

Wenn es der Nachwuchs so schwer hat, warum gibt es überhaupt den deutschen NBA-Spieler Dirk Nowitzki und die aktuelle deutsche Nationalmannschaft, die 2002 bei der WM Bronzemedaille gewann?

Das ist Zufall. Wir leben von der Nowitzki-Generation, die um den Jahrgang 1978 geboren ist. Da gab es den Glücksfall Holger Geschwindner, der in Würzburg, Aschaffenburg und Ochsenfurt drei Talente aufgelesen und zu Nationalspielern gemacht hat. Das zeigt doch, wie wichtig ein intensives Scouting ist.

Also muss man doch Angst haben, vor der Zeit nach 2008?

Es wird einen Umbruch geben, wenn Patrick Femerling, Ademola Okulaja und Dirk Nowitzki aufhören. Das sind Spieler von höchster europäischer Klasse. Unser Nachwuchs ist noch nicht so weit. Unsere Spieler entwickeln sich später, mit 23 oder 24 Jahren, wenn sie ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben.

Werden Sie das noch als Bundestrainer erleben?

Ich kann mir durchaus vorstellen, weiterzumachen. Momentan habe ich einen Vertrag bis 2007, der sich um ein Jahr verlängert, wenn wir uns für Olympia qualifizieren. Aber jetzt müssen wir erst das Turnier in Serbien und Montenegro spielen.

Das Gespräch führte Benedikt Voigt.

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