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Sport: „Wir wohnen zu sechst“

Wie lebt man im Olympia-Dorf? Volleyballer Dehne erzählt hier von kurzen Betten und langen Nächten

Wenn wir im olympischen Dorf zur Mensa gehen, müssen wir erst rechts an der Ukraine vorbei, dann kommen links Spanien und die USA. Die Amerikaner wohnen direkt an der Wäscherei, das ist praktisch, weil wir Sportler dort täglich die durchgeschwitzten Sachen abliefern müssen. Fürs Waschen zahlen wir übrigens nicht, eigentlich zahlen wir nirgendwo im Dorf. Wir Deutschen wohnen ganz am Rand, in einer Ecke. Das heißt, wir müssen jeden Tag zehn Minuten zur Mensa laufen, hin und zurück. Und das dreimal, Frühstück, Mittag-, Abendessen. Ich bin nicht so der Läufer.

Wir Volleyballer wohnen zu sechst in einem Apartment, das drei Zimmer und einen Gemeinschaftsraum hat. Die Zimmerbelegung haben wir nach Sympathien zusammengewürfelt. Ich wohne mit Robert Kromm in einem 20 Quadratmeter großen Zimmer. Wir sind beide Raucher, deshalb haben wir das Zimmer mit dem Balkon genommen. Der ist zwei Quadratmeter groß, was anderes kann man da draußen sowieso nicht machen. Die anderen sind Nichtraucher. Die beschweren sich eigentlich ständig über uns Raucher, ich weiß auch nicht warum.

Ich bin 2,02 Meter groß, aber mit dem Bett habe ich kein Problem. Es ist unten offen, dass ist das Wichtigste. Unser 2,11-Mann hat sich eine Bettverlängerung geholt, ich brauch’ die nicht. Die Bettverlängerungen stehen beim Büro des Deutschen Olympischen Sportbundes im olympischen Dorf im Keller. Die Bierkästen auch. Wir haben vier Kästen bekommen, das ist eine feine Sache. Die sind allerdings jetzt nicht mehr da.

Seit wir fertig sind, gehören wir auch zu denen, die Party machen. Aber du wohnst mit verschiedenen Sportarten im Haus, da kannst du nicht so einen Krawall machen. Nach dem 0:3 gegen Polen bin ich erst um zwei Uhr aufs Zimmer gekommen, gehe rüber zum Physiotherapeuten und sag’: Gib mir mal ein Bierchen. Er antwortet: Pssscht, die Beachvolleyballer spielen morgen. Anfangs hatten die meisten Sportler ja ihre Wettkämpfe noch vor sich. Ich habe eine Freundin, aber Singles können, wenn sie wollen, im olympischen Dorf leicht einen anderen Sportler kennenlernen. Von Pärchen in der deutschen Mannschaft habe ich allerdings noch nichts gesehen.

Es gibt viele Orte, um sich kennenzulernen: Internetcafé, Swimmingpool, Kraftraum. Wir sind auch einmal in die Diskothek gegangen, zum ukrainischen Abend. Da war irgendein Popstar aus der Ukraine, da sind die Ukrainer total abgegangen.

Die Mensa ist eine große Halle für 3000 Menschen, so groß wie ein Oktoberfest-Zelt. Das Essen ist super, es gibt chinesische, westliche, mediterrane Küche – und McDonalds. Ich esse eigentlich nur asiatisch, da ist immer etwas Passendes dabei. In der Mensa trifft man die meisten Leute, ich unterhalte mich meistens mit Spielern aus Ländern, in denen ich schon gespielt habe. Italiener, Polen oder ein Venezolaner, mit dem ich in Italien gespielt habe. Mit Marco Bracci bin ich ein wenig befreundet; der ist Kotrainer bei den italienischen Frauen, den habe ich nach langer Zeit dort wieder getroffen. Ich hatte gerade eine Traube von Menschen fotografiert, die um den Basketballstar Kobe Bryant herumstanden, da stand er plötzlich auf und rief: „Ah, Leute, da steht Frank Dehne, fotografiert doch den hier.“

Was ganz schlimm ist: Kaffee holen bei McDonalds. Die haben zwölf Kassen fürs Essen und eine für Kaffee. Da stehst du teilweise morgens eine halbe Stunde, ich glaube, da lernen sich die meisten Leute kennen. Schlange stehen ist sowieso eine Extremsituation, da zeigt sich der wahre Charakter. Wenn einer reindrängelt, ohne etwas zu sagen, denk ich immer: ein Einzelsportler. Beim Kaffeeholen zeigt sich auch, wer sich für die Mannschaft einsetzt. Einer von uns hat es gebracht, der hat sich eine halbe Stunde hingestellt – und bringt nur einen Cappuccino mit! Ich nenne jetzt aber keinen Namen.

Frank Dehne ist deutscher Nationalspieler im Volleyball. Seine Eindrücke zeichnete Benedikt Voigt auf.

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