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Cirstiano Ronaldo ist die Hoffnung der Portugiesen und das größte Problem der Deutschen

© dpa

WM 2014: Cristiano Ronaldo, ein "One Trick Wonder"?

In England wurde Cristiano Ronaldo einst verspottet. Inzwischen verfügt er über Finten und eine Freistoßtechnik wie kein anderer Fußballspieler auf der Welt.

Einen Trick. Übersteiger, Ball vorlegen und hinterher. Einen einzigen verdammten Trick. Mehr hat dieser Typ nicht drauf, spotteten sie in England. Und verpassten Cristiano Ronaldo den Spitznamen „One Trick Pony“. Der Verspottete nahm sich das zu Herzen. Und trainierte. Trainierte hart. Trainierte noch härter. Übte Finten. Übte Schusstechniken. Übte Freistöße. Er habe in seinen knapp drei Jahrzehnten als Trainer von Manchester United nie einen Spieler gesehen, der verbissener und selbstloser an sich gearbeitet habe, schrieb Alex Ferguson jüngst in seiner Biografie.

Mittlerweile würde niemand mehr auf die Idee kommen, Cristiano Ronaldo als einen Typen zu bezeichnen, der nur „one trick“ zeigen kann. Nicht die Gegenspieler und schon gar nicht die Torhüter, denen auch in Brasilien wieder schaudern wird, wenn sich Ronaldo den Ball zurechtlegt zum Freistoß. Die Beine gespreizt, die Arme leicht vom Körper abstehend, so wird er dastehen. Weil er immer so dasteht. Wie ein Westernheld.

Zieh Cristiano, zieh!

Spiel mir das Lied vom Freistoß, scheinen seine Mannschaftskollegen dann zu sagen. Und Ronaldo? Der spielt nicht. Er schießt. Schießt das Lied vom Freistoß. Vom perfekten Freistoß.

Mit den Jahren hat der amtierende Weltfußballer seine Schusstechnik derart verfeinert, dass es im Fußball derzeit wohl keinen gefährlicheren Schützen gibt. Bundestrainer Joachim Löw weist seine Spieler seit jeher darauf hin, in Tornähe keine unnötigen Fouls zu begehen. Heute, im ersten Spiel der Gruppe G gegen Portugal, gilt diese Vorgabe besonders. Zu oft hat Ronaldo aus ruhenden Situationen getroffen. Noch nicht gegen Deutschland. Aber das ist vielleicht nur eine Frage der Zeit.

„Folha seca“ nennen sie seine Schusstechnik in Portugal, das trockene Blatt. Weil der Ball nach Ronaldos Freistößen vom Himmel fällt wie ein trockenes Blatt vom Baum, nachdem er zuerst wie eine Rakete emporgeschnellt ist.

Der Ort, an dem Ronaldo das „Folha seca“ kreiert hat, heißt „Ciudad Real Madrid“. Im Trainingszentrum seines Klubs übt der 29 Jahre alte Angreifer nach jeder Trainingseinheit Freistöße. Die Kollegen sind meist längst unter der Dusche oder in ihren Nobelkarossen nach Hause gefahren, wenn Ronaldo nimmermüde trockene Blätter vom meist blauen Himmel in Madrid fallen lässt.

Wer schießen will wie Cristiano Ronaldo, kann sich im Internet unzählige Videos und Anleitungen ansehen und wird es am Ende doch nicht schaffen. Freistöße sind im 21. Jahrhundert zu einer eigenen Wissenschaft geworden, die vor allem tägliche Übung erfordert. Ronaldo tritt den Ball nicht mit dem höchstmöglichen Kraftaufwand, dafür aber möglichst genau. Mit dem unteren Ende des Spanns erwischt er ihn im Idealfall knapp unterhalb der Mitte.

Es ist Präzisionsarbeit

Ziel ist es, dass der Ball in der Luft möglichst nicht rotiert. Rotierende Bälle sind für den Torwart leichter zu berechnen, weil sie eine stabilere Flugkurve haben. Nicht rotierende Bälle können im Bruchteil einer Sekunde die Flugbahn verändern, zur Seite schnellen oder eben plötzlich vom Himmel fallen, weil selbst ein geringer Luftzug ihr Flugverhalten ändern kann. Torhütern bleibt so bei Ronaldos Schüssen oft nur die Möglichkeit der Faustabwehr – sofern der Ball nicht längst schon im Tor liegt.

Ronaldos Freistöße sind gerade der letzte Schrei, überall auf der Welt versuchen Hobbykicker sie zu kopieren. Genauso, wie sie versuchen, seine Finten und Körpertäuschungen zu kopieren. Oder den Ball nur mit dem rechten Außenrist zu führen.

Übersteiger, Hackentricks, Freistoßtechniken – Cristiano Ronaldo hat sich in all den Jahren ein beachtliches Repertoire zugelegt. Einiges dient dem Zweck der reinen Selbstverherrlichung, vieles aber erleichtert ihm neben seiner Schnelligkeit das Überleben auf dem Feld. Er ist mit der Zeit immer effektiver geworden, auch in der Nationalmannschaft Portugals nimmt er inzwischen jene herausragende Rolle ein, die er bei Real Madrid innehat.

Wenn Ronaldo den Ball mit höchstem Tempo nur mit der Außenseite seines Fußes führt, ihn streichelt, tätschelt oder mit Effet schießt, hat das immer etwas Virtuoses, Leichtes. Ronaldo wird dann zum Maestro einer Oper, in der die anderen 21 Spieler auf dem Feld nur Komparsenrollen einnehmen. Die Bewegungen wirken angeboren, sind aber das Produkt harter Trainingsarbeit eines Besessenen.

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