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Große Reise: Per Mertesacker ist seit zehn Jahren fester Bestandteil der Nationalmannschaft.

© dpa

WM 2014 - Deutschland - Ghana: Der lange Schatten des Per Mertesacker

Stammspieler, Bankdrücker: Per Mertesacker hatte schon viele Rollen in der deutschen Nationalmannschaft – am Sonnabend gegen Ghana macht der Verteidiger vom FC Arsenal sein 100. Länderspiel.

Für Per Mertesacker ist seine Karriere als Nationalspieler eine große Fahrt. Eine Fahrt, die den langen Innenverteidiger in viele Ecken der Erde geführt hat, quer durch Europa, in den Nahen wie Fernen Osten, nach Afrika und jetzt nach Brasilien. Wenn die deutsche Nationalmannschaft am Samstag im tropischen Fortaleza in ihrem zweiten Gruppenspiel der Fußball-WM auf Ghana trifft, wird Mertesacker auf seiner Fahrt ein großes Tor passieren. Es ist das Tor hinein in die Ruhmeshalle des deutschen Fußballs. Per Mertesacker wird sein 100. Länderspiel bestreiten – eine Marke, die vor ihm nur zwölf Deutsche hinter sich lassen konnten.

Große Güte, sagen Mertesackers Augen. Dann lächelt er verlegen, rutscht sich auf dem Stuhl zurecht und sucht mit seinen großen Händen an einer halbleeren Wasserflasche Halt. „Dabei war ich nie das Talent, um jemals davon träumen zu können“, sagt er. Während er einen Schluck nimmt, kramt er nach den für ihn wohl angemessenen Worten. Es ist nicht unbedingt die Zahl, die ihn fast umzuwerfen droht. Dann sagt er: „Ich bin einfach stolz auf diese Zeit, in der ich Teil dieser Mannschaft sein durfte.“

Die Zeit also. Und die tickte aufregend los. Gleich seine erste Fahrt führte den Zwei-Meter-Hünen aus der niedersächsischen Provinz zu einer exotischen Destination – Teheran. An jenem Tag damals im Oktober 2004 waren tagsüber 150.000 Menschen zusammengelaufen, von denen letztlich nur 110.000 Einlass ins Azadi-Stadion gewehrt werden konnte. Das Stadion platzte aus alle Nähten.

Per Mertesacker ist damals für einen gewissen Christian Wörns eingewechselt worden.

„Für mich war das eine Reise ins Unbekannte“, erzählt Mertesacker, für den der Weg, den er von da an nehmen sollte, überhaupt nicht absehbar gewesen sei. Er wisse noch ziemlich genau, wie den Spielern die Massen zugejubelt hätten. „Für mich war das damals sehr – unreal.“ Das ist jetzt beinahe zehn Jahre her. Mertesacker gehört damit zu jener Generation von deutschen Nationalspielern, die zum Teil noch unter Rudi Völler debütierten wie Bastian Schweinsteiger, Philip Lahm und Lukas Podolski, die inzwischen ebenfalls die magische Grenze von 100 Länderspielen überschritten haben. Mertesacker debütierte seinerzeit unter Völlers Nachfolger Jürgen Klinsmann.

100 Länderspiele – das haben vor Per Mertesacker erst zwölf deutsche Spieler geschafft

„Jürgen Klinsmann war die Person, die damals einer ganz jungen Generation Vertrauen geschenkt hat – eine, die zum Teil heute noch dabei ist.“ Das ist eine Generation, die ein paar höchst anständige Turniere abgeliefert hat. Für sie ist Brasilien nach zwei dritten Plätzen 2006 und 2010 jetzt die dritte WM. Womöglich ist es für sie die letzte Chance auf einen großen Titel. Ein Gedanke, der Mertesacker nicht mehr loslässt.

Bei den letzten vier Turnieren, die EM 2008 und 2012 einbezogen, ist Deutschland jeweils unter die besten Vier gekommen. Das Team habe mit ihrem Stil immer mal für Furore gesorgt, „aber eben nicht bis zum Ende“, sagt Mertesacker. Deswegen sei er „weit davon entfernt zu sagen, der Auftrag ist erfüllt, ich danke ab.“

Nun sitzt Mertesacker im tiefgekühlten Pressezelt nahe des WM-Quartiers und erzählt, dass es endlich mal Zeit werde, für den Höhepunkt zu sorgen. Denn inzwischen ist es auch wieder an ihm ganz persönlich. Vor zwei Jahren war das anders. Da schien seine Fahrt in eine Sackgasse zu führen. Wegen einer Knöchelverletzung hatte er nicht mehr rechtzeitig für die EM seinen Rhythmus finden können. Joachim Löw setzte seinen früheren Stammspieler damals auf die Reservebank. „Eine Entscheidung, die mich wie ein Schlag traf“, erzählt er heute. „Plötzlich war ich nur noch ein ganz kleiner Teil des Ganzen.“ Aber er habe auch diese Rolle angenommen, der Gruppe vom Rand aus gedient und sich schließlich zurückgekämpft.

Umso erfreulicher registriert der Bundestrainer, dass sein Abwehrchef wieder fit und belastbar ist. „Ich glaube, dass ihn die EM und diese Erfahrung sogar noch mal gestärkt hat in seiner Persönlichkeit“, sagt Löw. „Bei den WM-Turnieren war Per immer wichtig.“ Er habe unglaublich positiven Einfluss auf andere Spieler.

Und so wird Per Mertesacker seine Fahrt fortsetzen und am Samstag ins Stadion zu Fortaleza ziehen. Die besondere Marke, die er dabei überfahren wird, fühle sich jetzt schon gut an. „Und dieses Gefühl will ich unbedingt mit ins Spiel nehmen."

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